Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 66

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„Besonders mutig oder gar visionär ist das großkoalitionäre Regierungsprogramm nicht. „Vorarlberger Nachrichten“ (12.01.07)

Hauptsache Kanzler; Studiengebühren, Eurofighter, Finanzressort: Verkauft die SPÖ für die Große Koalition ihre Seele ? „Profil“ (08.01.07)

Themaverfehlung beim Programm

Für Gusenbauer zählt derzeit vor allem eines: Dass er Bundeskanzler ist. „Format“ (12.01.07)

Das vorliegende Regierungsprogramm von ÖVP und SPÖ zeichnet sich insbesondere durch allgemein gehaltene unverbindliche Aussagen aus. Selbst in jenen seltenen Fällen, in denen inhaltliche Reformvorhaben oder gar konkrete Gesetze erwähnt werden, fehlen terminliche Festlegungen. Laufend wird auf idR noch zu gründende Arbeits-, Experten-, und Evaluierungsgruppen sowie auf Verbesserungs- oder Prüfungserfordernisse verwiesen. Welche „wichtige“ Aufgaben diesen Experten­grup­pen teilweise übertragen werden, zeigt das Beispiel einer eigens einzurichtenden Expertenkommission zur Einführung eines Qualitätssiegels „Meisterbrief“. Glaubt man dem Regierungsprogramm, so ist die Tätigkeit dieser Bundesregierung mit Ende des laufenden Jahres vorbei, da für die folgenden Jahre der Gesetzgebungsperiode eigentlich keine konkreten Reformen mehr geplant sind.

Bemerkenswert ist jedoch, dass es der Retrokoalition zumindest gelungen ist, außer Streit zu stellen, geltendes Recht auch weiterhin entsprechend zu vollziehen, zumal man sogar festschrieb, dass „die bereits jetzt verpflichtende Bedarfserhebung, wie es im Schulorganisationsgesetz vorgesehen ist, durchgeführt werden müsse“. Lächerlich wird es dort, wo angekündigt wird, die Wehrpflicht gesetzlich auf sechs Monate zu verkürzen. Ein Blick ins Gesetz hätte genügt um zu erkennen: Dies gilt schon ab 1.1.2008 und bis dahin sind alle Grundwehrdiener, die 2007 einrücken müssen, mit Weisung für sechs Monate einzuberufen. Ein Gag der neuen Regierung oder schlichte Unwissenheit der Verhandler?

Das neue Motto: Belastungen verstecken und Reformen verschieben

Konkret wird man lediglich dort, wo es um zusätzliche Belastungen für die Öster­reicherinnen und Österreicher geht. Auch wenn versucht wird, dies in einer dürren Tabelle zur Budget- und Wirtschaftsentwicklung zu verstecken. Denn dort fehlen die Einnahmen, und dies wohl nicht aus Versehen. Klar festgeschrieben wird aber im Textteil, dass jährliche Gebührenerhöhungen Platz greifen werden, und ob diese für 2007 auszuschließen sind – wie der neue Finanzminister Willi Molterer angekündigt hat – bleibt abzuwarten. Zu vieles wurde von ÖVP und SPÖ in den letzten Monaten versprochen und nicht gehalten.

Anstatt im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher konkrete Projekte zu terminisieren und umzusetzen, denkt die neu angetretene Retrokoalition schon an eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit nach den nächsten Wahlen und legt fest, „dass in der nächsten Gesetzgebungsperiode (Anm.: also erst in der XXIV. GP) auf die Bun­desländer und Gemeinden eingewirkt werden soll, die Harmonisierung der unter­schiedlichen Pensionssysteme voranzutreiben.“ Dass in diesem Bereich gerade Wien noch große Versäumnisse aufzuweisen hat, und der Wiener Bürgermeister Häupl einer der Hauptverhandler der SPÖ war, wird wohl kein Zufall sein. Die damit dem Steuer­zahler zugemuteten Belastungen von zumindest 138 Mio € durch die weiterhin generösen Pensionsprivilegien der Landes- und Gemeindebediensteten, v. a. in Wien, werden durch diese Regierung nicht beseitigt werden. Wozu ist sie mit ihrer 2/3-Mehrheit dann gut, wenn nicht für große Reformen, fragen viele Menschen und


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