Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 200

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Missverständnis? (Abg. Schalle – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das ist ein Missverständnis!) – Okay, Sie haben das Wort.

 


19.05.47

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Mein Debattenbeitrag ist heute gekennzeichnet von zwei Feststellungen, nämlich: „Bundeskanzler um jeden Preis“ und „Schüssel, das Verhandlungsphänomen“. Denn, meine Damen und Herren, was Regierungsprogramm und Ressortverteilung anbelangt, verdient synonym nur diese zwei Statements.

Nach 102 Verhandlungstagen ein Regierungsprogramm auf den Tisch zu legen, das zwar 167 Seiten geduldiges Papier und eine Vielzahl von Zielen, aber keine Wege der Umsetzung aufweist, ist fast schon wieder eine Leistung – natürlich im negativen Sinn! Dieses Regierungsprogramm ist meines Erachtens genau der Rückschritt in fatale Zeiten einer großen Koalition, in denen nichts weitergegangen ist (Abg. Kurt Eder: Eine alte Rede, keine moderne Rede!), eben wirtschaftlich-politischer Stillstand ge­herrscht hat (Abg. Kurt Eder: Bitte moderner sprechen!), abgesehen davon, dass Wahlversprechen für Sie, Herr Bundeskanzler, nur Worthülsen zu sein scheinen. Da stellen Sie sich schon in eine Reihe mit Ihren Vorgängern, wie zum Beispiel Vranitzky oder Klima. (Abg. Kurt Eder: Wer schreibt solche Reden?)

Sie haben sich obendrein auf eine Ressortverteilung eingelassen, die für Sie noch ein sehr böses Ende nehmen wird. Ihre Wählerklientel ist da viel schneller munter gewor­den und hat bereits erkannt, dass Sie fast alle Wahlversprechen gebrochen haben. Das Regierungsprogramm war ja noch nicht einmal offiziell unterzeichnet (Abg. Kurt Eder: ... jetzt von Westenthaler!), da wurden schon die ersten Belastungen eröffnet: die Erhöhung der Mineralölsteuer (Abg. Kurt Eder: ... so reden, oder wie?), natürlich zu Lasten der Autofahrer und Pendler, und die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge.

Über den vollmundig versprochenen Ausstieg aus den Eurofighter-Verträgen findet sich nichts Aussagekräftiges mehr in Ihrem Regierungsprogramm, von einer Besser­stellung der Familien ganz zu schweigen. Und die so vehement versprochene Abschaf­fung der Studiengebühren hat die jungen Menschen sogar aus Ihrer eigenen Partei auf die Barrikaden gehen lassen. Sie berufen sich darauf, dass Sie mit diesen Ansinnen bei der ÖVP nicht durchgekommen sind, nennen aber Sozialarbeit statt Studiengebühr eine Verbesserung.

Was mich ganz persönlich an Ihren Aussagen besonders stört, ist die prolongierte Aufweichung des Lehrlingsschutzes. Bei dem derzeitigen Mangel an Facharbeitern ist das wirklich ein Hohn. Oberstes Gebot wäre meiner Meinung nach, die Rechte der Lehrlinge zu stärken sowie das Jugendbeschäftigungsgesetz zu entrümpeln. Dann werden wir endlich einmal anständige Facharbeiter bekommen. (Beifall beim BZÖ.)

Ein funktionierendes Sozialsystem braucht eine florierende Wirtschaft. Was ist von der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung zu erwarten? – Wenn man alle angekündig­ten Erhöhungen zusammenrechnet, kommt man auf Mehreinnahmen von 600 Mill­ionen €, die natürlich zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung und des Mittelstands gehen. Damit verbunden ist ein Verlust der Kaufkraft und somit eine Verschlechterung der Wirtschaftslage.

Diese Bundesregierung erwartet am Ende der Gesetzgebungsperiode ein Wirtschafts­wachstum von nur 2,3 Prozent. Für heuer, das erste Jahr des neuen Aufschwunges, werden 3,2 Prozent erwartet. Daher wird das Wirtschaftswachstum unter den magi­schen 2,5 Prozent liegen, das bei allen Wirtschaftsforschern als Grenze für ein gleichbleibendes Beschäftigungsniveau angesetzt wird. Steigende Arbeitslosenzahlen sind also zu erwarten – und Sie prognostizieren eine Senkung von 4,7 auf 3,9 Prozent!


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