Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung / Seite 202

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Nun geht es zum einen darum, die Rechtsreform in die anschließenden Verfahren­stadien hinein zu verlängern. Zum anderen wird es von entscheidender Bedeutung sein, es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsanwaltschaften und der Gerichte durch Schulungsangebote zu ermöglichen, noch besser die besondere Situation der Straftatopfer und zumal der Opfer von Gewalttaten und Gewaltbe­ziehun­gen zu verstehen. Denn nur auf dieser Grundlage ist es letztlich möglich, den Bedürfnissen und Rechten der Opfer vollauf gerecht zu werden.

In diesem Zusammenhang bekenne ich mich dazu, dass die Strafjustiz Opfergerechtig­keit nicht im Alleingang herstellen kann, sondern auf enge Arbeitsbündnisse mit anderen Behörden, aber auch mit vielfältigen privaten Einrichtungen der psycho­sozialen und der finanziellen Opferhilfe angewiesen ist. In dieser Situation ist es wichtig, ein im Interesse der Opfer effektives und reibungsloses Zusammenspiel der beteiligten Institutionen durch Koordinationsmaßnahmen sicherzustellen, aber auch – und ich sage das mit besonderem Nachdruck – es den privaten Einrichtungen der Opferhilfe durch eine ausreichende Finanzierung zu ermöglichen, jene Rolle zu spielen, die nur sie spielen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der mit dem Gewaltschutzgesetz eingeschlagene Weg, allen Formen von krimineller Gewalt mit Entschiedenheit entgegenzutreten, ist natürlich fortzusetzen. Das meint jetzt insbesondere weitere Schritte zur Unterstützung von Frauen und Kindern und besonders auch von alten Menschen, die in ihrem sozialen Nahraum von Gewalt bedroht sind. Wir brauchen auch eine Evaluierung jener Maßnahmen, die auf der Basis der jüngst geschaffenen gesetzlichen Regelungen gegen Stalking erfolgt sind. Ich denke auch an Maßnahmen im Bereich des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und andere Formen der Gewalt an Migrantinnen und Migranten.

Hohes Haus! Ich glaube, wenn wir jetzt eine große Koalition gebildet haben, so sind wir es unseren Wählerinnen und Wählern wohl auch schuldig, dass wir die spezifischen Chancen einer großen Koalition nutzen. Deshalb möchte ich auch jenen schwierigen institutionellen Fragen nicht ausweichen, die schon seit Jahrzehnten einer Antwort harren und die wir nur mit einer entsprechenden Verfassungsmehrheit auch lösen können.

Das gilt insbesondere für die Klärung der Stellung der Staatsanwaltschaften im Gesamt­gefüge der staatlichen Behörden und, damit zusammenhängend, die Frage des Verhältnisses – der Nähe oder der Distanz – der Staatsanwaltschaften zu den Gerichten. Dabei wird es noch mehr als in anderen Fragen darum gehen, eine Lösung in engster Kooperation mit den Betroffenen zu finden, deren Berufsbild und Berufs­verständnis hier natürlich massiv berührt ist.

Dass hier rasche Antworten weder zu haben noch erstrebenswert sind, bedeutet nicht, dass hier nicht jetzt schon Position bezogen werden könnte. Ich bekenne mich zur Wichtigkeit einer von der Regierung unabhängigen Tätigkeit der Staatsanwaltschaften für das Funktionieren des Rechtsstaats. Ich möchte hier unter anderem auch die Erfahrung aus den Erlebnissen in Italien einbringen, wo in den letzten Jahren sehr, sehr deutlich geworden ist, wie wichtig es ist, starke und unabhängige Anklage­behörden für die Bewahrung des Rechtsstaats und seiner Glaubwürdigkeit zu haben. Die verfassungsrechtliche Neupositionierung der Staatsanwaltschaften sollte diesen Prinzipien Rechnung tragen.

Ähnliches – insbesondere im Hinblick auf die Unabhängigkeit – gilt auch für die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechtsschutzbeauftragten im Strafverfahren und für den Ausbau des Menschenrechtsbeirats zu einer wirklich unabhängigen Kontrollinstanz mit wirksamen Befugnissen. Das Regierungsübereinkommen sieht ja


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