Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll20. Sitzung, 24. April 2007 / Seite 206

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nämlich die Diskriminierung von lesbischen Frauen und schwulen Männern. Manche von Ihnen, die noch nicht so lange in diesem Hohen Haus sind, haben vielleicht – und auch in der Öffentlichkeit ist das nicht mehr präsent – schon vergessen, dass es bis 2002 in diesem Land die strafrechtliche Verfolgung von schwulen Männern für sexuelle Handlungen, die bei heterosexuellen Männern und Frauen und bei lesbischen Frauen nicht strafbar waren, gab, nämlich für Beziehungen, sexuelle Handlungen mit 14- bis 18-Jährigen. Wie gesagt, das galt für schwule Männer, aber nicht für heterosexuelle Männer und Frauen und nicht für lesbische Frauen.

Im Jahr 2002 haben zuerst der Europäische Menschenrechtsgerichtshof und dann auch der österreichische Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz als menschenrechts­widrig und diskriminierend aufgehoben. Seither gibt es zum Glück in diesem Land keine nur homosexuelle Menschen strafrechrechtlich verfolgende und diskriminierende Gesetze.

Tatsache ist, dass wir in Bezug auf jene Männer, die – viele von ihnen – menschen­rechtswidrig im Gefängnis gesessen sind, die zum Beispiel ihre Existenz verloren ha­ben, die den Job verloren haben, weil das aufkam, die dann vielleicht nicht so gravie­rende Dinge, aber dennoch das Leben beeinflussende und bedrückende Dinge wie den Führerschein verloren haben, die Gewerbeberechtigung und diverse andere Din­ge, abgesehen davon, dass sie im Gefängnis gesessen sind, der Meinung sind, dass es nötig ist, hier auch ein Gesetz zu beschließen, das sowohl die Rehabilitierung dieser Menschen als auch finanzielle Entschädigungen für erlittenes Leid durch diese men­schenrechtswidrigen Gesetze vorsieht.

Es gab in Österreich bis 1971, fortgesetzt seit Beginn der Zweiten Republik, das Total­verbot für erwachsene lesbische Frauen und schwule Männer, diese Beziehungen zu leben. Mehrere Tausend, schätzungsweise an die 15 000, sind von 1945 bis 1971 zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Diese Personen haben nie auch nur irgendeine Entschuldigung der Republik erfahren, haben nie so etwas wie eine Rehabilitation er­fahren oder auch tatsächlich Entschädigungsleistungen erhalten. Wenn ich von Reha­bilitation spreche, so geht es zum Beispiel darum, dass sie durch den erlittenen Frei­heitsentzug Anrechnungszeiten für die Pension verloren haben und ihnen das nie wie­dergegeben wurde.

Das sind einige der Beispiele dafür, dass wir diesen Gesetzesantrag eingebracht ha­ben, den wir AREG nennen, also Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsge­setz.

Dieser Gesetzesantrag enthält zu Beginn auch eine allgemeine Verurteilung jeder Form von Diskriminierung, Anfeindung und Gewalt gegen homo- und bisexuelle Frauen und Männer, und er enthält auch einen Passus, der festhält, dass der Nationalrat be­dauert, dass homo- und bisexuelle Frauen und Männer in der Vergangenheit schweren Verfolgungen ausgesetzt waren und auch heute noch mit Diskriminierungen konfron­tiert werden.

Ein zweiter Punkt, der sozusagen als Einleitung in diesem Gesetz steht, ist, dass wir damit sagen würden, dass der Nationalrat auch bedauert, dass das Sonderstrafgesetz, das eben lesbische und schwule Handlungen unter Erwachsenen unter Strafe gesetzt hat, laut dem Strafgesetz von 1852 – lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: von 1852! –, auch zu Beginn der Zweiten Republik in Kraft geblieben ist und bis 1971 Bestand der Gesetzgebung eines freien Österreich war, wodurch, wie gesagt, mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind. Unse­rer Ansicht nach bedürfen diese der Rehabilitation und der Entschädigung, und diese offizielle Anerkennung muss auch ausgesprochen werden.

 


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