Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll20. Sitzung, 24. April 2007 / Seite 210

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. 7 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Das war jetzt eine angenehme Abwechslung!)


19.52.15

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Kollege Jarolim, wenn Sie erlau­ben, ich habe eine andere Position rechtstheoretischer Art. Die Tilgung ist nicht eine provisorische Befreiung ... (Abg. Neugebauer: Warum muss Jarolim das erlauben?) – Ich bin ein höflicher Mensch. Das ist eine rein semantische Ausdrucksform meiner skeptischen Beurteilung seiner Äußerungen, aber das ist eine Stilfrage.

„Tilgen“ heißt vollständige Beseitigung der Rechtsfolgen, die durch urteilsmäßigen Spruch judiziert worden sind. Insofern ist also der Vorgang der Tilgung nichts Tadelns­wertes, und Tilgung zielt auf die Beseitigung eines Urteiles ab. Das ist nicht wirklich diskutierbar. (Abg. Mag. Lunacek: Es ist zu wenig!)

Jetzt sind wir bei der zielgerichteten Absicht einer Generalamnestie, wie das von der Vertreterin der ÖVP genannt worden ist. Da muss ich schon auch sagen: Eine blanke Generalamnestie von Tathandlungen, die zu einem Urteil geführt haben, die durchaus von der Begehungsform gewisse Mischformen gehabt haben mögen, über die wir heute aber überhaupt nichts mehr wissen – zum Beispiel, ob Zwang oder Ausnutzung eines Vorgesetzten- oder Untergebenenverhältnisses bestanden haben mag –, würde wieder andere diskriminieren, die zu Recht wegen ähnlicher – und zwar gar nicht auf homosexueller Ebene begangener – Handlungen verurteilt worden sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Der Punkt ist: Wir sind äußerst skeptisch, eine solche Generalamnestie ins Auge zu fassen. Es gibt überhaupt keinen Einwand dagegen, Formen der Diskriminierung, deren Vermeidung heute einen unstrittigen Bestandteil der Rechtskultur darstellt, auch gesetzlich in Angriff zu nehmen und zu beseitigen. Es ist aber sehr davor zu warnen, aufgrund geänderter gesellschaftlicher Verhältnisse eine rückwärtsgerichtete Korrektur, noch dazu mit Entschädigungszahlungen, ins Auge zu fassen. Strafrecht ist jeweils die aktuelle – und ich füge hinzu: auf demokratisch legitime Weise zustande gekommene – gesetzliche Strukturierung. Dass dies von Fall zu Fall, von Zeit zu Zeit eine Änderung erfährt, ist eine Sache.

Ein Beispiel: Jahre, Jahrzehnte, also sehr lang, war der Tatbestand der fahrlässigen Krida einer, der wie das Amen im Gebet über Leute, die wirtschaftlich verunglückt sind, hereingebrochen ist. Da gab es sehr formalisierte Tatbestände, bei denen ein Verurteil­ter gar nichts dafür konnte; wenn er zum Beispiel seine Buchhaltung delegiert hat und es Teil des Tatbestandskatalogs war, dass die Buchhaltung nicht gestimmt hat. Dieser Tatbestand ist abgeschafft worden. Die fahrlässige Krida als solche gibt es nicht mehr. Es ist die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen an deren Stelle getreten. Wenn ich diesen Ansatz konsequent fortdenke, dann müssten alle, die jemals wegen fahrlässiger Krida verurteilt worden sind, jetzt antreten können und sagen: Mo­ment, wie kommen wir dazu, diskriminiert zu werden? – Auch wir fordern General­amnestie, Entschädigung und so weiter und so fort.

Zusammengefasst: Es ist wohl richtig, dass man Antidiskriminierungsmaßnahmen zu Recht realisieren sollte. Es ist absolut abzulehnen – was auch Jarolim gesagt hat –, dass man allgemeine Dinge, die abseits des positivistischen Rechtstextes irgendwo Eingang finden sollten, auch nur andenken sollte. Das ist so ähnlich wie der liebe Gott in der Verfassung.

Der uns vorliegende Entwurf wird wahrscheinlich nicht geeignet sein, unsere Zustim­mung im Justizausschuss zu erlangen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.57

 


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