Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll21. Sitzung / Seite 354

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15.31.00

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Man kann bei jedem Ressort, bei jedem Ministerium Budgetzahlen hinauf- und hinunterdividieren, vergleichen. Das ist nicht einfach, aber man kann es versuchen. Warum macht das im Gesundheitsressort keinen Sinn? Warum ist es im Gesundheitsressort höchstwahrscheinlich wichtiger, sich inhaltliche Dinge anzuschauen und von dort her Verbindungen zur Gesundheitspolitik und deren Kosten herzustellen? – Einfach darum, weil Sie, Frau Bundesministerin, für ein Budget verantwortlich sind beziehungsweise über eines verfügen, das wohl eines der nied­rigsten aller Ressorts, wenn nicht überhaupt das niedrigste ist: gut, freundlich geschätzt etwas über 670 Millionen €. Vergleichen wir das mit dem Budget der Sozialversicherungen, macht das ungefähr 5 Prozent des Sozialversicherungsbudgets aus, steht nicht einmal für ein Vierzigstel der gesamten Gesundheitskosten. Und noch etwas, was ganz unerfreulich ist: Wir alle, Private, Betroffene, erkrankte PatientInnen zahlen in das Gesamtgesundheitssystem zirka zehnmal mehr ein, als das Budget Ihres Ressorts in Ziffern gießt.

Das ist schon bemerkenswert. Das bedeutet, Sie können mit diesem Budget auf Goodwill pochen, appellieren, bitten – ich sage jetzt nicht betteln – und versuchen, zu überzeugen. Und welche Auswirkungen hat das? – Dazu möchte ich Ihnen schon ein paar Beispiele aufzeigen: 70 Prozent Ihres Budgets, Ihres kärglichen, schmalen Bud­gets wird letztlich abgedeckt oder ist blockiert durch zweckgebundene Zuschüsse an die stationäre Krankenversorgung, sprich Krankenhäuser, was die Handlungs­fähigkeit und die Steuerungsfähigkeit ziemlich beträchtlich einschränkt. Es bleibt Ihnen ein Rest von etwas über 230 Millionen €, um politisch, gesundheitspolitisch Akzente zu setzen. Da wird sich nicht viel rühren.

Daher schneide ich jetzt etwas an und appelliere an Ihre Courage, und zwar diese auch dort zu zeigen, wo Ihnen innerhalb Ihrer Partei oder von Mächtigen ein frischer Wind um die Nase wehen wird, und das ist das föderale System, von dem alle ExpertInnen, einige aus Ihrem Ressort, auch Ihre Vorgängerin und andere, mit denen wir gesprochen haben, nur hinter vorgehaltener Hand sagten: Das ist ein Manko der Gesundheitspolitik, diese Zersplitterung im föderalen System! Das ist ein kosten­treibender Faktor, nur darf man es nicht sagen!

Wie kommen wir weiter, wie lösen wir ein Dilemma, wenn man eine Vogel-Strauß-Politik sozusagen zu einem Perpetuum Mobile macht und sich die Realität nicht anschaut? Permanent herrscht das Florianiprinzip: Was ich mir an Gesundheitskosten erspare, zahlt dann wer anderer! Dass die Gesundheitskosten dadurch nicht sinken, vergisst man schlichtweg oder lässt es unter den Tisch fallen.

Ich kann mich erinnern, wir haben Vorschläge gebracht bezüglich der Palliativmedizin, der Neurorehabilitation, der Psychotherapie auf Krankenschein, und auch in unserem damaligen Gespräch mit der ÖVP hat es immer geheißen: Sehr spannend, eigentlich richtig, Herr Grünewald, sehr anständig, es ist aber nicht finanzierbar! Wenn ich jetzt aber sage: Alles oder einiges, was vernünftig ist, und alles, was anständig ist, ist nicht finanzierbar, dann frage ich mich: Was tun wir überhaupt noch in der Gesundheits­politik? Und da fängt meiner Meinung nach schon ein wüster Verleugnungsprozess an, der an Anstand einiges vermissen lässt. Es ginge nämlich darum, der Tatsache ins Auge zu schauen, dass den größten Finanzierungsanteil an den gesamten Gesund­heits­kosten de facto die Sozialversicherung und in ihr die Krankenkassen haben.

Ich finde es schon etwas infam, wenn man sagt – und das ist ja die Wahrheit! –: Ja der Bund schreibt den Kassen per Gesetz vor, was sie zu leisten haben! Der Bund schreibt ihnen vor, über welche Einnahmen sie verfügen können, auf Punkt und Beistrich! Dann gehen die erforderlichen Leistungen mit den Einnahmen nicht Hand in Hand, und der


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