Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Der Verfassungsgerichtshof hat vor ziemlich genau einem Jahr, am 22. Juni 2006, die einkommensteuerrechtlichen Regelungen für die Reisevergütungen aus Anlass einer Dienstreise, also die sogenannten Tages- und Kilometergelder, aufgehoben. Konkret hat er den vierten Satz des § 26 Abs. 4 Einkommensteuergesetz aufgehoben, der nämlich folgendermaßen lautet – und es ist wichtig, darauf hinzuweisen; ich zitiere –:
Enthält eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 Einkommensteuergesetz eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden. – Zitatende.
Die Aufhebung dieses scheinbar harmlosen Satzes hat zur Folge, dass das historisch gewachsene Entlohnungssystem in einer Reihe von Branchen, insbesondere in der Baubranche, ausgehebelt wird, mit der Folge, dass eine Reihe von Arbeitnehmern, insbesondere Bauarbeitern, Nettolohneinbußen hinnehmen müssten, weil damit insbesondere die Tagesdiäten in der Höhe von 26,04 € nunmehr steuerpflichtig würden. Natürlich sind aus der Sicht der Grünen diese Nettolohneinbußen für die Betroffenen untragbar. Das ist keine Frage!
Nun wurde ein Jahr lang über eine neue, verfassungskonforme Regelung nachgedacht. Was ist dabei herausgekommen? – Herausgekommen ist ein Initiativantrag mit einer vermutlich neuerlich verfassungswidrigen Lösung! Ich werde versuchen, das zu begründen.
Die Neuregelung ist mit der bisherigen gesetzlichen Regelung im Wesentlichen deckungsgleich. Neu ist lediglich der Ort der Regelung. Der von mir vorhin zitierte Satz des § 26 Abs. 4, den der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, findet sich nunmehr inhaltsgleich im § 3 des Einkommensteuergesetzes bei den Steuerbefreiungen wieder. Demnach sind als Reiseaufwandsentschädigungen bezahlte Steuergelder steuerfrei – und ich zitiere jetzt aus dem Initiativantrag –, soweit der Arbeitgeber auf Grund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 ZZ 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. – Also weitgehende Deckungsgleichheit mit dem, was der VfGH aufgehoben hat!
Die vom VfGH – andersherum formuliert – als verfassungswidrig aufgehobene Regelung findet sich nunmehr im § 3 des Einkommensteuergesetzes. Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, erklären Sie mir, warum diese Regelung nunmehr verfassungskonform sein soll!
Unterstützt werde ich in meiner Ansicht von Professor Werner Doralt, der es in einem diesbezüglichen Artikel für eine Steuerzeitung auf den Punkt bringt: Man transferiert eine verfassungswidrige Bestimmung in eine andere Gesetzesstelle und behauptet, sie sei nun verfassungskonform.
Professor Doralt hält den Antrag aber noch aus einem zweiten Grund für verfassungswidrig. Ich zitiere:
Wenn die Begründung auch noch ausdrücklich darauf hinweist, dass mit dem Gesetz der Wirtschaftsstandort der damit begünstigten Branchen gesichert werden soll, heißt das mit anderen Worten, die Sicherung des Standortes der begünstigten Branchen geht zu Lasten der nicht begünstigten Standorte beziehungsweise Branchen.
Einfacher formuliert: Die Neuregelung prolongiert mithin bestehende Wettbewerbsverzerrungen.
An die ÖVP wäre die Frage zu richten: Wie verträgt sich das mit den Ansichten einer Wirtschaftspartei, die nicht müde wird, uns das Hohelied des Wettbewerbs und seiner Segnungen zu singen?
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