Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll25. Sitzung / Seite 37

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ßen Lücken der derzeitigen Jugendwohlfahrt vor Augen geführt. Der Handlungsbedarf ist also für die Politik unübersehbar, überhaupt dann, wenn man bedenkt, dass diese tragischen Fälle nur die Spitze des Eisberges darstellen.

Abgesehen davon, dass diese Fälle in Oberösterreich ganz besonders gelagert waren, ist es ja ein offenes Geheimnis, dass ein großer Teil von Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung unentdeckt bleibt oder viel zu spät aufgedeckt wird. Jahrelanges menschliches Elend und unabschätzbare Spätfolgen für die betroffenen Kinder sind die Folgen, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann nicht länger hinge­nommen werden. Hier müssen Sofortmaßnahmen gesetzt werden. Auch wenn man aus guten Gründen – Kollegin Zwerschitz hat einige genannt – gegen eine sogenannte Anlassgesetzgebung sein kann, so ist sie in diesem Bereich wirklich dringend notwen­dig.

Konkret wird durch die vorliegende Novelle die Mitteilungspflicht von Behörden und Or­ganen der öffentlichen Aufsicht auch auf Einrichtungen zur Betreuung und zum Unter­richt Minderjähriger ausgedehnt. Das heißt in der Praxis, dass nun die Schulen, die Kindergärten und andere Betreuungseinrichtungen selbst verpflichtet sind, bei Ver­dachtsmomenten Meldung an die Jugendwohlfahrtsträger zu erstatten. Und das er­scheint wirklich sinnvoll, wo sich doch gerade in diesen Einrichtungen Kinder tagtäglich aufhalten oder aufhalten sollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort Verdachtsmomente zuerst auffallen, ist natürlich entsprechend groß, sodass ein Frühwarnsystem dort am besten angebracht ist.

Ich habe in den Ausschussberatungen auch auf die möglichen Risken dieser Regelung hingewiesen, die eben darin bestehen könnten, dass es, um sich abzusichern, zu einer Überzahl an Fehlmeldungen kommen wird und die Jugendwohlfahrtsbehörden mit dem Abarbeiten dieser Meldungen überlastet werden. Diese Ressourcen könnten dann bei anderen Aufgaben fehlen, die aber auch unverzichtbar sind. Denn: Langweilig war, denke ich, den Beschäftigten in der Jugendwohlfahrt auch bisher nicht.

Diese Bedenken wurden im Ministerrat aufgegriffen, und es wurde in einer Protokoll­anmerkung der Unterrichtsministerin festgehalten, dass das Familienministerium die Schulen aktiv und unmittelbar betreuen und servicieren wird sowie insbesondere auch darüber informieren wird, welche Sachverhalte meldepflichtig sind und welche nicht, um eben bestmöglich Meldeverfehlungen zu vermeiden.

In dieser Protokollanmerkung wird auch festgestellt, dass diese Kooperation eine be­sondere Form der Amtshilfe ist und die Schulen keineswegs zu Vollzugsorganen der Jugendwohlfahrt werden. Das muss natürlich auch für alle anderen nichtschulischen Einrichtungen gelten.

Wir haben im Ausschuss sehr intensiv über diese Novelle diskutiert, und das ist übri­gens ein Recht, das wir uns auch als Regierungsfraktion nicht absprechen lassen. Eine Diskussion muss auch von Regierungsfraktionen intensiv geführt werden. Wichtig war mir im Ausschuss auch die Aussage der Ministerin, dass für den Fall, dass sich durch die neuen Meldepflichten der Ressourcenbedarf erhöht, auch entsprechend Bundes­mittel zugeschossen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der Gesamtproblematik ist die­se Novelle wirklich ein sehr kleiner Schritt. Der große Wurf ist es sicherlich noch nicht. Die gesamte Jugendwohlfahrt, das Bundesgrundsatzgesetz, aber auch die Landesge­setze, gehören auf ihre Zeitgemäßheit und Praxistauglichkeit hin durchleuchtet und überprüft. Wir brauchen dringend einheitliche Standards, und zwar auf höchstem Niveau. Vielleicht fällt uns auch ein besserer Begriff als der Begriff „Jugendwohlfahrt“ ein, der doch ziemlich antiquiert erscheint.

 


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