Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 92

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Karl. Sie haben sich 3 Minuten Redezeit vorgenommen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.57.22

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nicht nur Kollege Öllinger hat Ihr Inserat be­merkt, sondern auch ich habe es mit großem Interesse und auch mit großer Verwunde­rung gelesen. (Die Rednerin hält ein Zeitungsinserat in die Höhe.)

Was mich dabei verwundert hat, war, dass Sie bei der selbständigen Leistungserbrin­gung von Betreuungstätigkeit nur von Werkverträgen ausgehen. Wenn Sie sich arbeits­rechtlich hätten beraten lassen, wäre Ihnen wahrscheinlich gesagt worden, dass es sich dabei in der Regel um freie Dienstverträge handeln wird und nicht um Werkver­träge, weil es sich nämlich um Dauerschuldverhältnisse und nicht um Zielschuldver­hältnisse handeln wird.

Sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich macht es keinen großen Unterschied. Wir haben zwar im ASVG den Sozialversicherungstatbestand der Pflichtversicherung für die arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmer, allerdings gelangt diese Pflichtver­sicherung nicht zur Anwendung, wenn die Dienstleistung für Private oder auf der Grundlage eines Gewerbescheines erbracht wird.

Das heißt, sowohl dann, wenn die Tätigkeit auf der Grundlage eines Gewerbescheines, als auch dann, wenn diese ohne Gewerbeschein erbracht wird, besteht auf jeden Fall eine Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz – sei es als gewerblich Selbständiger oder als sogenannter neuer Selbständiger.

Der Unterschied besteht im Arbeitsrecht. Auf freie Dienstverträge gelangt zwar grund­sätzlich das Arbeitsrecht nicht zur Anwendung, es gelangen allerdings jene arbeits­rechtlichen Regelungen zur Anwendung, die nicht auf die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers abstellen.

Was bedeutet das konkret für die Betroffenen? – Das bedeutet etwa, dass im Falle einer Kündigung die Kündigungsfristen und die Kündigungstermine des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches einzuhalten sind oder dass im Falle einer unbegründeten vorzeitigen Auflösung aus wichtigem Grund eine Kündigungsentschädigung anfällt. Es macht somit sehr wohl einen Unterschied, ob man von einem freien Dienstvertrag oder von einem Werkvertrag spricht.

Ich möchte aber auch noch einen weiteren Aspekt der von Ihnen hier angepriesenen Förderung ansprechen. Es ergibt sich sowohl aus Ihren Richtlinien zur Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung als auch aus § 21b des Bundespflegegeldgesetzes, dass kein Rechtsanspruch auf diese Förderung besteht. In den Richtlinien ist vorgesehen, dass die Entscheidung des Bundessozialamtes vom Sozialministerium auf Rechtmä­ßigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden kann. Es ist eine bloße Kann-Bestim­mung. Außerdem ist diese Kann-Bestimmung für die Rückforderung der Zuwendung durch das Bundessozialamt nicht vorgesehen. Gegen die Rückforderung durch das Bundessozialamt kann man das Sozialministerium somit nicht anrufen.

Erlauben Sie mir abschließend noch einen kurzen Hinweis zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Hofer, Belakowitsch-Jenewein. Es geht darin unter anderem darum, dass der Pflegeanspruch verfassungsrechtlich abgesichert werden soll. Ich möchte daran erinnern, dass wir in der österreichischen Verfassung keine sozialen Grundrech­te haben. Wir haben liberale Grundrechte, zum Beispiel Eigentumsrecht, Erwerbsfrei­heit. Mit den sozialen Grundrechten in Form von Leistungsansprüchen könnte das Pro­blem auftreten, dass sie zu gewissen liberalen Grundrechten in Widerspruch treten, wie etwa zum Eigentumsrecht. Zu beachten ist auch, dass sie sich nur unter wesentlich


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