Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 93

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größeren Schwierigkeiten durch den Verfassungsgerichtshof judizieren lassen. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.01.10

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich würde empfehlen – um die Güte oder Wahrhaftigkeit Ihrer Inserate beurteilen zu können –, einmal den Versuch zu starten, unseren Standort und damit den Blickwinkel zu wechseln. Überlegen wir einmal, wie die ganze Sache und Debatte von der Situation der Betroffenen ausschaut!

Sie hören – insbesondere jene von der ÖVP, etwas weniger jene von den Sozialdemo­kraten –, dass der Umstand, dass der Anteil älterer und alter Personen an der Gesamt­bevölkerung immer mehr zunimmt, fast apokalyptische Horrorvisionen einer Unfinan­zierbarkeit auslöst – nicht nur im Pflegebereich, sondern auch im Gesundheits- und im Sozialbereich, speziell bei Pensionen.

Was geht da in alten Menschen vor, wenn sie diese Diskussion verfolgen? Fühlen sie sich da angenommen? Fühlen sie sich wertgeschätzt? Fühlen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes versichert oder aufgehoben? Oder erleben sie sich vielmehr als Be­drohung, als Gefahr für den Staat und als Belastung für andere? Das ist wahrlich kein tolles Gefühl! Dann noch zu sagen, das sei ein Schritt, noch dazu in die richtige Rich­tung, ist, glaube ich, schon etwas herablassend, um nicht zu sagen, völlig verkehrt; oder man hat den falschen Kompass und sieht die Richtung nicht, in die alles läuft.

Schauen wir uns an, für wie viele Personen Ihre nun angebotene Lösung überhaupt zum Tragen kommt! Es gibt in etwa 400 000 Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher. Zirka 20 000 davon bedürfen einer 24-Stunden-Betreuung plus Pflege. Das sind zirka 5 Prozent, und für diese 5 Prozent bieten Sie eine Lösung an, wobei sich wahrschein­lich wieder nur das oberste Fünftel dieser Leute diese Betreuung wird leisten können.

Wenn Sie sagen, dass die Kosten dafür auf etwa 100 bis 110 Millionen € berechnet werden und es verdammt schwer und mit den Ländern sehr mühsam sein wird, dieses Geld aufzutreiben, dann rufe ich Ihnen in Erinnerung, dass für 2007 prospektiv Einnah­men durch die Erbschaftsteuer von 170 Millionen errechnet wurden. Jetzt frage ich Sie: Haben Sie sich nicht gefragt, warum man auf diese 170 Millionen verzichten und sie nicht zielgerichtet verwenden will?

Es ist auch aus einem anderen Grund eine Lösung für Wenige: Sie wissen wahrschein­lich so gut wie ich, dass Angehörige der sogenannten Unterschicht bereits im Alter von 45 Jahren jene Häufigkeit und Intensität von Behinderungen aufweisen, wie die soge­nannte Oberschicht – hören Sie zu! – im Alter von 75 Jahren. Das heißt, nicht das Alter ist das Problem, sondern die soziale Ungleichheit.

Die Mehrzahl aller Expertinnen und Experten sagen, dass sich diese Schere der Un­gleichheit in Krankheit, Behinderung, Pflege und Tod weiter öffnet, sich in den letzten Jahren unter dieser Politik weiter geöffnet hat. Doch Sie tragen nichts dazu bei, dass sich diese Schere wieder schließt.

Wenn man schaut, was Ihre Lösungsvorschläge sind, dann sieht man errechnete Mehrkosten für Betreuung von bis zu 3 500 € – im günstigsten Fall –, bei selbständiger Tätigkeit vielleicht von 1 500 bis 2 000 € . Da trifft es die zu Pflegenden oder ihre Ange­hörigen mit zusätzlich notwendigen Geldleistungen, die deutlich über dem österreichi­schen Durchschnittseinkommen liegen! Was sagen Sie dazu? Ist das eine soziale Lö­sung?

 


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