Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung / Seite 157

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Jugendliche sind, wenn Sie so wollen, auch sehr erfinderisch, und das ist auch gut so. Sie werden also nach Möglichkeiten suchen, die Regeln, die ihnen die Erwachsenen ohne Begründung setzen, die Diskriminierungen oder meinetwegen auch Verletzun­gen, die ihnen Erwachsene ihrer Meinung nach ungerechtfertigterweise zufügen, auch zu umgehen. Na selbstverständlich. Das haben wir auch gemacht als Jugendliche, wenn wir das nicht verstanden haben, was uns als Regel vorexerziert wurde. Und solange man an diesem Problem nichts angreift – und damit bin ich schon beim nächsten –, wird es schwierig.

Ich habe auch diesen Vorschlag gehört: Wir brauchen die intakte Familie. (Abg. Steibl: Ja!) – Ja, sagen Sie, Frau Kollegin Steibl, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass sie für viele nicht mehr existiert (Abg. Steibl: Ich habe gesagt, wir brauchen Unterstützung für die Familien!) und dass die Schwierigkeit auch für intakte Familien darin besteht, die Beziehungen zu Kindern zu leben.

Wir haben gestern Arbeitszeitflexibilisierungen, die Ausweitung von Arbeitszeiten, La­den­öffnungszeiten, die Verlängerung von Ladenöffnungszeiten bis in die Nacht hinein beschlossen. Da sind ja überall Menschen mit dabei, in dem Fall nicht nur als Kon­sumenten, sondern auch als solche, die beschäftigt sind. In diesem Fall sind es haupt­sächlich Frauen. Die sind diejenigen – das wissen wir aus den Erfahrungen –, die die Beziehungsarbeit auch zwischen den Generationen noch immer überwiegend regeln, und wenn diese für bestimmte Sachen ausfallen, weil sie keine Zeit haben, weil sie einem Job nachgehen müssen, dann wird es schwierig. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Selbst die intakte Familie – ich sage Ihnen das ganz nüchtern, weil ich glaube, man kann in der Debatte sehr schnell irgendwie überkippen in das absolute Emotionali­sieren –, ist mittlerweile nicht mehr oder kaum oder nur mit Schwierigkeiten in der Lage, diese Beziehungen zu Jugendlichen tatsächlich so zu leben, wie es auch wichtig und notwendig wäre.

Das ist ja auch nicht die Differenz, da würden wir ja alle übereinstimmen, wenn es darum geht. Ja, das wollen wir. Nur, was machen wir auch in unserer alltäglichen Politik, um das sozusagen lebbar zu machen oder auf der anderen Seite – was mein Vorwurf ist, und wir haben den Vorwurf auch gestern geäußert in der Debatte –, um es schwieriger zu machen? Wir tragen durch Maßnahmen manchmal dazu bei, dass es schwieriger wird. Denn eines wissen wir ganz sicher: dass Schichtarbeit, überlange Arbeitszeiten – ich höre dann schon wieder auf mit diesem Thema – nicht unbedingt ein Vorteil dafür sind, dass Beziehungen lebbarer werden. Das merkt man nämlich, und da gibt es auch Befragungen dazu.

So weit zum Ende dieser Beschwörungsformel. Mir war nur wichtig, einmal darauf hinzuweisen: Das reicht nicht aus. Und es reicht auch nicht aus, dass wir hergehen und sagen, die Jugendlichen wollen wir nicht diskriminieren, aber – patsch – wenn uns etwas einfällt, dann das, dass wir ihnen Regeln setzen, Ausweise, irgendwelche Strichcodes oder sonst etwas umhängen, womit wir sie identifizieren und eingrenzen können. (Abg. Steibl: Jeder Experte wird Ihnen sagen, dass man Kindern Grenzen setzen muss!)

Ich habe nichts gegen das Grenzensetzen, nur muss man selbst bereit sein, sie zu leben, diese Grenzen auch zu kontrollieren, und dann möchte ich auch wissen, welche Grenzen das sind. (Beifall bei den Grünen.) Auch darauf habe ich beziehungsweise alle, und vor allem die Jugendlichen, ein Recht. Aber nicht nur einfach vom Gren­zensetzen reden! Das ist mir zu wenig. (Abg. Steibl: Das ist eine Unterstellung!) – Nein, das ist keine Unterstellung, ich sage Ihnen nur das, was ich beobachtet habe.

 


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