Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll30. Sitzung / Seite 105

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der Blockade. Und zweitens meine Anerkennung dafür aussprechen, dass Sie, Herr Bundeskanzler – das ist ja auch von Vertretern der deutschen Präsidentschaft bestätigt worden –, offenbar eine außerordentlich gruppendienliche Rolle gespielt haben. Das ist wichtig in der Union, dass es Mitspieler gibt, die dafür sorgen, dass alle gemeinsam zu einer Lösung kommen können. Und dafür möchte ich auch danken. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Lassen Sie mich eine kleine kritische Bemerkung machen – ich will mich jetzt nicht mit Details des Vertrages beschäftigen, aber es sind in den beiden Reden von der Regie­rungsbank aus und auch von Dr. Van der Bellen Aspekte angesprochen worden, und ich möchte nur eine kurze Zusatzbemerkung machen –: Erstaunlich ist schon, dass es offenbar eine Reihe von Regierungschefs in Europa gibt, die den Vertrag und die Än­derungen des Vertrages nur dann akzeptieren können, wenn sie sich selbst vorher or­dentlich Schotter in die Augen schütten. Denn dass man jetzt wieder anfangen muss, Dinge so zu benennen, wie sie kein Mensch außerhalb der Regierungskonferenz ver­steht – es darf nämlich nicht „Außenminister“ heißen, sondern es muss „Hoher Reprä­sentant“ heißen, weil ja jeder weiß, was das ist, und Dinge, die ein Gesetz sind, dürfen aber nicht „Gesetz“ heißen, denn das würde einen Superstaat bedeuten –, also ehrlich gesagt, mit Verlaub gesagt, das ist verrückt! – So verrückt sind die Bürgerinnen und Bürger nicht in diesen Fragen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Aber es dient ja der Täuschung!)

Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt kommen, und lassen Sie mich den Versuch unternehmen, Sie an einem Erlebnis teilhaben zu lassen, das ich am Dienstag dieser Woche gehabt habe. – Ich bin am Dienstag in meiner Funktion als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses nach Warschau gefahren und habe dort die Gelegen­heit wahrgenommen, meinen Kollegen im Sejm und andererseits den Außenpolitischen Ausschuss im Senat zu besuchen. Ich habe anschließend Gelegenheit gehabt, ein Museum zu besuchen, nämlich das Museum des Warschauer Aufstandes von 1944.

Das Motiv, warum ich nach Warschau gefahren bin, war im Wesentlichen, dass ich zu­tiefst davon überzeugt bin, dass in der Europäischen Union nur dann etwas weiterzu­bringen ist, wenn wir uns und wenn alle anderen auch sich jeweils dafür interessieren, was die anderen 26 wollen, fühlen und denken. Wenn wir gerade notleidig draufkom­men, was uns selbst wichtig ist, und der Rest ist uns wurscht, werden wir dort auch keine Lösungen erzielen. (Abg. Strache: Da denkt man erst zum Schluss dran, an das, was wir brauchen, nicht? – Österreich zuletzt!)

Nein, wir sollten sehr wohl wissen, was wir selbst brauchen, Herr Strache, aber Sie denken ausschließlich an das! Die anderen 26 sind Ihnen wurscht!

Also, um es noch einmal zu sagen: Es ist entscheidend in einem Klub mit 27 Mitglie­dern, dass man sich für die anderen 26 interessiert. Das gilt für uns so sehr wie für alle anderen, und das war auch die Gesprächsgrundlage mit meinen polnischen Partnern.

Welches Erlebnis möchte ich Ihnen berichten? – Das Erlebnis ist, dass ich dieses Mu­seum über den Warschauer Aufstand von 1944 besucht habe, das seit dem Jahr 2004 eröffnet ist und das unter dem damaligen Bürgermeister von Warschau, Lech Ka­czynski, errichtet wurde. Die Entscheidung, dieses Museum zu errichten, ist bereits 1981 gefallen. Bis 2003 ist gar nichts geschehen – und dann hat der heutige Staatsprä­sident und damalige Bürgermeister von Warschau dieses Museum errichten lassen.

Warum ist das wichtig? – In Warschau hat es 1944 einen Aufstand der polnischen Bür­ger gegen die deutsche Besatzung gegeben, am 1. August 1944 beginnend, bei dem es den Polen gelungen ist, weite Teile der einen Hälfte Warschaus von der Besatzung zu befreien, indem sie 63 Tage lang aushaltend mit den geringsten Mitteln dafür ge­kämpft haben, ein freies Warschau zu übergeben oder der kommenden Roten Armee


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