Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll30. Sitzung / Seite 104

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wurscht, Hauptsache, wir bekommen die Essenz, die Verbesserung der Handlungs­fähigkeit, die doppelte Mehrheit bei Entscheidungen der EU, aber wenn man sich dann vor Augen führt, welchen Ritus Staaten wie Kanada oder die USA mit ihrer Fahne be­treiben – ich persönlich finde das ja übertrieben –, dann denkt man sich schon: Aber gar keine Fahne zu haben?

Man stelle sich einmal vor, Österreich hat keine rot-weiß-rote Fahne und keinen Adler! Würde uns da nicht etwas abgehen? Also, was steckt hinter dieser starken Ablehnung dieser Symbole? – Das kann doch nur den Grund haben, dass man sozusagen gegen alles Staatsähnliche, gegen all das, was die EU letztlich ausmacht, im Kern starke Vorbehalte hat. Dann muss man sich schon die Frage stellen, ob jene Staaten, die in der Europäischen Union – trotz aller Bekenntnisse der Regierungschefs – eigentlich nur einen gemeinsamen Markt plus Nato sehen wollen, in der Europäischen Union richtig aufgehoben sind. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Angesichts der Ereignisse bei diesem Gipfel fallen einem dazu zwei Fragen ein: Ich glaube, wir schießen uns ein bisschen zu Unrecht auf die polnische Regierung ein, weil schließlich die Quadratwurzelfrage bei der Mehrheitsentscheidung nicht grundsätzlich demokratieunwürdig ist oder dergleichen, es wäre halt eine andere Regel gewesen, während das „Opting-out“ von Großbritannien eine andere Qualität des Dissenses dar­stellt – abgesehen davon, dass Tony Blair persönlich alle Verträge auf Regierungs­chefebene natürlich unterschrieben hat, über all die Jahre, und auch die Grundrechts­charta und den gesamten Verfassungsvertrag. Und dann kommt er nach Hause und tut nichts! Die Unterschrift von Tony Blair unter dem jetzigen Abänderungsvertrag – oder wie immer dieser dann auch heißen mag – ist nichts wert, aber schon gar nichts, weil er am Tag darauf von Gordon Brown abgelöst wurde.

Also, wie sich die Briten noch verhalten werden bis Ende 2007, wenn es ums „Ein­gemachte“ geht, nämlich die Formulierung des Textes, das wird noch genau anzu­schauen sein. Den Zeitungen entnehme ich auch die – wie soll ich sagen? – Distanzie­rungsversuche der polnischen Regierung jetzt schon – es gibt dazu einen „Presse“-Ar­tikel von Samstag, 30. Juni, noch zur Zeit der deutschen Präsidentschaft. – Wir werden sehen, ob das Ganze wieder von vorne losgeht.

Wenn es wahr ist, dass die Essenz des Vertrages gerettet wurde, ja, dann werde ich persönlich dem zustimmen. Aber wenn nicht – Blankoscheck ist das keiner! Ich habe keine Lust, hier im österreichischen Parlament abgeschwächte und noch einmal abge­schwächte und noch einmal abgeschwächte Versionen dieses Verfassungsvertrages zu ratifizieren, dem zuzustimmen, und dann kommt irgendein Fahnenfeind sozusa­gen – als Kurzformel für alle, die die EU eigentlich gar nicht wollen –, und das Ganze beginnt von Neuem. Langsam fühle ich mich doch ziemlich brüskiert von diesem Pro­zess. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.50


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. 7 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


13.50.49

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­kanzler! Frau Bundesministerin! Ich möchte zunächst nicht nur meine Anerkennung auch für die deutsche Präsidentschaft noch einmal zum Ausdruck bringen, sondern ich möchte auch Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, Frau Außenministerin, einerseits danken und andererseits auch Anerkennung aussprechen: Danken dafür, dass es gelungen ist, erstens jetzt zu einem Abschluss zu kommen. Es war wichtig, dass die Europäische Union diesen Schritt jetzt endlich schafft und dass wir rauskommen aus


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