wahn und dem Nutzen von diffusen, subtilen Ängsten in der Bevölkerung. (Abg. Dr. Graf: Und weil die Bevölkerung so diffuse Ängste hat, tauschen wir sie halt aus!) Das kann ich nur verurteilen, Herr Kollege Strache. (Beifall bei den Grünen.)
In aller Kürze sind es doch ein paar Themen, über die es sich zu philosophieren lohnt. Zunächst zum Thema Terror und Religion. Ich habe den Eindruck, dass wir uns ein bisschen daran gewöhnt haben, hier einen automatischen Zusammenhang herzustellen. Ich möchte nur daran erinnern, dass ja die El Kaida nicht die erste terroristische Organisation ist. Das hatten wir in der Geschichte schon oftmals. Die meisten dieser Organisationen – soweit ich das so aus dem Handgelenk sagen kann – haben keinen religiösen Hintergrund. Die RAF in Deutschland hatte mit Sicherheit keinen religiösen Hintergrund. (Abg. Ing. Westenthaler: Die haben dafür einen linken Hintergrund !) Die ETA im Baskenland hat sicher keinen religiösen Hintergrund. Die IRA in Irland: Ja, sie ist katholisch, aber niemand würde das wohl als Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken interpretieren.
Die zahlreichen literarisch verarbeiteten Terroristen im Russland des 19. Jahrhunderts haben meiner Erinnerung nach keinen religiösen Hintergrund. Und die Staatsterroristen des Nationalsozialismus – ich weiß nicht, wie Sie darüber denken – hatten, glaube ich, auch keinen religiösen Hintergrund.
Die El-Kaida-Leute behaupten, einen religiösen Hintergrund zu haben. Ich persönlich habe meine Zweifel daran. (Abg. Strache: Sogar einen politischen! Das ist schon richtig!) Meine Hypothese ist: Wenn du einmal in dieser Weise denkst, wenn du ein Fundamentalist dieser Art bist, wenn du dich zu Terrorakten bewegen lässt, bis hin zur Selbstaufgabe, dem sogenannten Märtyrertod – solange du nur möglichst viele Menschen in den Tod mitreißen kannst, ist das gerechtfertigt –, wenn du einmal auf der Schiene unterwegs bist, dann suchst du natürlich eine Legitimation für dein Handeln. Diese Leute glauben, in einer bestimmten Interpretation des Koran, die ich persönlich für unzulässig halte – aber ich bin alles andere als ein Korankenner –, diese Legitimation gefunden zu haben. Wenn es Mohammed nie gegeben hätte, dann würden diese Leute mit dieser Einstellung, dieser Geisteshaltung, dieser Überzeugung, eine andere Legitimation gefunden haben – so, wie es in der Geschichte immer wieder der Fall war. (Abg. Dr. Cap: Wie war es bei Savonarola?)
Völlig verkehrt ist es, finde ich, diese 400 000 Muslime in Österreich in Geiselhaft zu nehmen. (Abg. Strache: Nein, der Schakfeh nimmt die 400 000 in Geiselhaft und grenzt sie gleichzeitig aus!) Die allermeisten davon sind säkularisiert, so wie die sogenannten Christen auch. Das wissen Sie ja ganz genau, Herr Kollege Strache.
Überhaupt ist mir das unbehaglich, diese dauernde Einteilung von acht Millionen Österreichern in Religionsgruppen. Welche Gruppe ist die zweitgrößte, nach den Katholiken? (Abg. Dr. Brinek: o.r.B.!) – Die ohne Bekenntnis. Danke, Frau Kollegin, danke. Da gehöre ich nämlich auch dazu. (Abg. Dr. Cap: Ich auch!) Ich bin evangelisch geboren, getauft, aber ohne religiöses Bekenntnis. Ich habe diese dauernde Einschachtelung, Schubladisierung in irgendeine Religionsgemeinschaft, egal, in welche Religionsgemeinschaft, satt. (Beifall bei den Grünen.)
Im Zuge dieser Diskussion über Zuwanderung, Integration und so weiter – also eine völlig legitime Diskussion – stellt sich schon die Frage: Worin besteht unsere Rolle als Politiker, Politikerinnen? Inwiefern ist ein Dialog mit den sogenannten Kirchen, Religionsgemeinschaften und ähnlichen Institutionen notwendig, richtig, zweckmäßig? – Ich meine, in bestimmten Grenzen. Derer sollten wir uns bewusst sein. Das betrifft alle Religionen, meine Damen und Herren. Wenn ein Vertreter einer Offenbarungsreligion – Christentum, Muslime, Judentum – den absoluten Wahrheitsanspruch nicht im Alltag irgendwie pragmatisch relativiert – in der Diskussion mit mir zum
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