Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 70

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doch die Bürger nicht, Herr Bundeskanzler! Das ist eine Kopie des Verfassungsvertra­ges!) Und ich erinnere mich genau daran, dass, als wir diesen Verfassungsvertrag hier im Nationalrat diskutiert haben, eine Frage geprüft wurde, nämlich: Ist dieser Verfas­sungsvertrag eine Fundamentaländerung der österreichischen Bundesverfassung? Wenn ja, müsste er natürlich zwingenderweise einer Volksabstimmung unterzogen werden.

Die Frage, die bei den Verfassungsrechtlern dabei umstritten war, war: Kommt es durch den Verfassungsvertrag zu einem absoluten Primat von europäischem Recht ge­genüber dem nationalen Recht, nämlich auch festgeschrieben? – Und selbst bei dieser Formulierung waren die Verfassungsrechtler der Meinung, das ist Ausdruck der geteil­ten Souveränität, und wir haben bereits beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Uni­on über dieses Prinzip abgestimmt. (Abg. Rosenkranz: Nur haben das die Leute da­mals nicht gewusst! Das haben Sie tunlichst verschwiegen, dass ...!)

Nur: Was findet jetzt statt? – Dieser umstrittene Punkt ist im neuen Reformvertrag im Unterschied zum Verfassungsvertrag nicht mehr enthalten. Und ich stelle fest, dass die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei zwar sehr wohl einen Verfassungsvertrag ratifiziert haben (Abg. Strache: BZÖ!), aber jetzt nicht bereit sind, einen aufgeweichten Reformvertrag zu ratifizieren. (Abg. Strache: BZÖ!) Und das ist inkonsequent (Abg. Strache: Das waren die Abgeordneten des BZÖ, Herr Bundeskanzler! Bleiben Sie bei der Wahrheit! Unsere einzige Abgeordnete Rosenkranz hat dagegengestimmt!), wider­sprüchlich und zeigt, dass es Ihnen nicht um Österreich geht, sondern um kleinliche parteitaktische Interessen, und das ist nicht gut für unser Land! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Bleiben Sie bei der Wahrheit! Damals hatten wir nur eine Abgeordnete, heute haben wir 21!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Abgeordneter Bösch war sogar Mitglied des Europäischen Konvents. (Abg. Strache: Der war damals zuerst beim BZÖ und ist dann erst in die FPÖ! Hat sich vom BZÖ abgewandt!) – Bei Ihnen kennt sich ja keiner mehr aus: einmal FPÖ, einmal BZÖ, wieder FPÖ. Also offensichtlich ändern Ihre Abge­ordneten mit ihren Identitäten gleichzeitig ihre Position zum Verfassungsvertrag.

Einigen wir uns darauf: Ihre Abgeordneten haben bis auf eine zu diesem Thema schon jede Position eingenommen. Und auf einer solchen Grundlage lässt sich wirklich keine Politik aufbauen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir sind – ganz im Gegenteil – der Auffassung, dass dieser Reformvertrag kein Selbst­zweck ist, sondern Europa handlungsfähiger machen wird, um die entscheidenden He­rausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Dieser Reformvertrag stellt keine Verän­derung unserer bisherigen sicherheitspolitischen Grundlagen dar, was die Frage der Neutralität und der Solidarität betrifft. (Abg. Strache: Das ist ja falsch, Herr Bundes­kanzler!) Und dieser Reformvertrag – deswegen bekämpfen Sie ihn ja – wird zu einem besseren Funktionieren der Europäischen Union führen und daher die Kluft zwischen der EU und ihren Bürgern wieder verringern.

Genau das ist der Grund dafür, dass wir sagen: Ja, wir profitieren und stehen zu einem funktionsfähigen Europa! (Abg. Strache: Sie schenken ja der Bevölkerung nicht reinen Wein ein! Das ist ja falsch, was Sie sagen!) Österreich hat von der Europäischen Union profitiert und liegt im Herzen dieses Kontinents. Und wir wollen dieses Friedensprojekt nicht gefährden, denn es ist eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung unseres Landes.

Wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie ja zu diesem Vertrag, ja zu Österreich und ja zu Europa sagen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Strache: Ja zu einer Volksabstim­mung!)

9.26

 


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