Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 71

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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäfts­ordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Cap. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


9.26.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich glaube, Sie übertreiben einfach. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Bundeskanzler, das stimmt!) Sie übertreiben – bei allem Respekt gegenüber der Tageszeitung „Kronen Zei­tung“, die mit Recht viele kritische Artikel bringt, bei allem Respekt gegenüber jenen, die eine Volksabstimmung fordern oder viel Kritik an der Europäischen Union zu äußern haben. Man soll sich mit diesen Dingen ganz seriös auseinandersetzen, man soll da nicht einfach drüberfahren, das sage ich ganz offen. Auch ich übe sehr viel Kri­tik an der Politik, die von der EU-Kommission kommt, die aus Brüssel kommt, aber ich weiß sehr wohl, da abzuwägen und die Alternativen abzuschätzen. Und das, was Sie nicht sagen, ist: Was ist eigentlich die Alternative zur Mitgliedschaft in der Europäi­schen Union, und was ist die Alternative zur EU? (Abg. Strache: Schweizer Modell!)

Wir alle sind gezeichnet, auch die jüngere Generation, von dem, was sich in zwei Welt­kriegen auf dem europäischen Kontinent abgespielt hat, und wir wollen, dass es hier Frieden gibt. Wir wollen nicht, dass es noch einmal solch eine Auseinandersetzung auf der Ebene des Nationenstreits, religiöser Konflikte und so weiter gibt. Und ich glaube, diesbezüglich hat die Europäische Union als Modell, als Idee viel geleistet.

Aber es hat Kritik gegeben. Die verlorenen Referenden in Frankreich und Holland wa­ren der Ausdruck dieser Kritik, wo man gesagt hat: Wir fühlen uns nicht geschützt! Wir sind nicht zufrieden, was die Sicherung unserer Arbeitsplätze und Sozialsysteme be­trifft! (Abg. Strache: Und deshalb macht man jetzt keine Volksabstimmung, Herr Klub­obmann?!) Es gibt zu wenig Wirtschaftswachstum, das das absichert! – Was macht die Europäische Union?

Ich bin dagegen, dass man heute hier von irgendeinem Mythosgebilde EU spricht. – Die EU ist im Wesentlichen die Summe der Beschlüsse der national Regierenden und nationalen Parlamente, die einfließt in die Arbeit der Kommission, in die Beschlüsse des Rates und in das Europaparlament. Das ist die Wahrheit! Und deswegen haben wir uns damals sehr oft und kritisch auseinandergesetzt mit der Regierung des Bun­deskanzlers Schüssel – mit dem BZÖ und am Anfang mit der FPÖ –, weil wir gesagt haben, dass die Regierung eigentlich teilweise eine Politik in der Europäischen Union mitträgt oder bestimmt, die wir nicht wollen (Abg. Scheibner: Und wie ist das jetzt?), die auf Kosten von Beschäftigung oder Arbeitsplätzen geht, zu wenig für Wachstum macht und zu wenige Initiativen setzt. Das war es. (Abg. Strache: Deshalb opfern Sie unseren Sozial- und Gesundheitsstaat, unser System!)

Wenn Sie heute hier einen Mythos aufbauen, muss ich Ihnen sagen: Das ist übertrie­ben, und das ist nicht wirklich glaubwürdig!

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas – auch so ein Grund, warum ich sage, bei aller Kritik; ich werde, wenn es um die Frage des Beitritts der Türkei geht, dafür eintreten, dass wir darüber eine Volksbefragung durchführen oder von Haus aus dagegen sind, weil ich glaube, dass die Türkei ein asiatisches Land ist und das ja ein europäisches Modell ist, und ich möchte kein euroasiatisches Modell, ich sage das ganz offen (Abg. Strache: Deshalb verhindern Sie schon jetzt eine Volksabstimmung!); nein –: Mir geht es darum, dass wir die Europäische Union als etwas begreifen, wo wir uns gemeinsam gegen den Globalisierungsdruck wehren. Ich möchte nicht die chinesischen Löhne hier in Europa haben. Ich möchte nicht die russischen Löhne und das russische „Nichtsicherheitssys-


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