Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 77

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beiden Politikerinnen – „statt Einstimmigkeit bedeuten auch qualitativ einen Sprung über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus.“

Erinnern wir uns noch? Neben dem berühmten Ederer-Tausender war anlässlich des Beitritts zur Europäischen Union ein Argument ganz stark, nämlich: Wir können nicht länger allein sein, das ist ganz furchtbar. Wir werden alles mitvollziehen müssen, ohne mitsprechen zu können; wir müssen dringend hinein, denn wenn uns etwas gar nicht passt, dann können wir dagegen nachher ein Veto einlegen, denn es gilt das Einstim­migkeitsprinzip. (Abg. Strache: Weg ist es!) Jetzt ist es weg! Die Grundvoraussetzung, eines der wichtigsten Argumente, die Österreicher in die EU zu locken, ist gefallen!

Zum Dritten: Neutralität. – Zum Thema „Solidaritätsklausel“ steht hier, wir könnten im­mer wieder in jedem Einzelfall entscheiden. – Verkaufen Sie uns doch nicht für dumm! Neutralität bedeutet, man hat sich ein für alle Mal entschieden, nicht an fremden Hän­deln teilzunehmen, nicht von Mal zu Mal. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich ist die Diskussion gar nicht so schwierig, eigentlich ist es ganz einfach. Die Bürger erkennen zu Recht ganz klar: Hier geht das Kraftzentrum von Wien nach Brüssel. Das kann man wollen – wir wollen es nicht, jedenfalls aber hat der Bürger ein Recht darauf, in einer Volksabstimmung darüber zu entscheiden. (Beifall bei der FPÖ.)

9.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Ing. Westen­thaler; ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.47.58

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Der Bundeskanzler hat sich gegen einen Vergleich der Europäi­schen Union mit der damaligen russischen Diktatur verwahrt. Ich empfehle Ihnen, Herr Bundeskanzler, schlagen Sie die Tageszeitung „Die Presse“ von heute auf, da können Sie nämlich ein interessantes Interview mit dem slowakischen EU-Kommissar Ján Figel lesen. Ich zitiere:

„Viele Leute verwechseln die heutige EU mit der UdSSR.“ Union heißt nämlich auf Sla­wisch ,Sojus‘. Geblieben sei damit die Bedeutung der Fremdherrschaft. Was früher ein­mal aus Moskau angeschafft wurde, komme heute aus Brüssel ...“

Das sagt nicht irgendein Dahergelaufener, sondern ein EU-Kommissar – und der muss es ja wissen! Er kritisiert das natürlich, aber er hat ein Faktum festgestellt, nämlich die Tatsache, dass sich auch die Menschen in seinem Land, auch in den östlichen Län­dern eben nicht frei fühlen, sondern sich in Wirklichkeit von einer Fremdherrschaft be­droht fühlen. So ähnlich ist es natürlich auch in Österreich. Auch in Österreich gibt es Kritik, weil wir es tatsächlich mit einer Quasi-EU-Diktatur zu tun haben, die Entmündi­gung, Bevormundung und Schikanen gegenüber den Völkern, gegenüber der Bevölke­rung durchführt. Es ist ein Zug, der durch Europa fährt, ohne Insassen, ohne Men­schen, das heißt, nur mit ein paar hochbezahlten Schaffnern, der aber in Wirklichkeit keine Mitbestimmung zulässt.

Herr Bundeskanzler, es gibt etwas, das mich stört, und das richte ich auch an die Adresse der ÖVP: Wenn man an dieser Europäischen Union Kritik übt, auch funda­mentale Kritik, dann darf man nicht gleich als schlechter Europäer hingestellt werden oder als jemand, der das Projekt der Europäischen Union zerstören will. Das stört mich nämlich. Denn: Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, es war die Freiheitliche Partei – unsere Vorväter, im Jahre 1956, Herr Wilfried Gredler und Co –, die als erste hier im Hohen Haus einen Beitrittsantrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingebracht hat. Das heißt: Wir lassen uns nicht als schlechte Europäer diffamieren, aber wir sind der Meinung, bessere Europäer sind die, die auch das Kritische aufzei-


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