Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 181

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niemanden gibt, der das Kind dann aufnimmt, der es in den Arm nimmt, der es mit einem Fläschchen versorgt, der es wickelt, der mit dem Kind spielt?

Was ist, wenn es Eltern gibt, die total überfordert sind mit der Betreuung ihrer Klein­kinder? Dann ist es schon ein Hilferuf, wenn sie sich an einen Arzt wenden, in eine Ambulanz gehen, nur weil das Kind schreit und sie nicht wissen, warum.

Es gibt diese sozialen Netze in den Familien nicht mehr in der Dichte, wie wir das in der Vergangenheit hatten, und es gibt auch oft nicht mehr die Personen, die dann unterstützend bei der Kinderbetreuung helfen können. Es gibt Eltern, die psychische Probleme haben, die vielleicht Drogenprobleme haben, die alkoholkrank sind, die total überfordert sind mit der Betreuung ihrer Kinder. Und irgendwann eskaliert es, und es kommt zur Gewalt an Kindern. Oft ist es körperliche Gewalt, die vielleicht nicht gleich als solche erkennbar ist, weil sie keine Spuren hinterlässt, weil Ohrfeigen einfach nicht so nachwirkend sind oder weil es kleine Verletzungen sind, die auch vom Kindes­umfeld nicht als Misshandlungen erkannt werden, weil es Abschürfungen sind oder vielleicht ausgerissene Haare. Erschwerend ist auch noch, dass solche Anzeichen vielleicht Hinweise sind, aber keine Beweise.

Wir stehen vor der Problematik, dass die Gewalt an Kindern eine psychische, eine physische Gewalt sein kann, dass es zu sexuellen Übergriffen kommen kann und dass es unserer gemeinsamen Anstrengung bedarf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Kindern zu ihren Rechten verhelfen.

Wir haben auch die Phänomene, dass Kinder ihre Eltern lieben, auch wenn es prü­gelnde Eltern sind, auch wenn es Eltern sind, die ihren Kindern gegenüber demütigend auftreten. Es sind die Kinder, die sich dann oft selbst dafür verantwortlich machen, wenn es Probleme zwischen den Eltern oder im Eltern-Kind-Verhältnis gibt.

Wir haben uneingeschränkte Anzeigepflicht für Sicherheitsbehörden, aber Meldepflicht an das Jugendamt auch für medizinisch-technische oder medizinische Berufe, für Physio­therapeuten, Psychotherapeuten und so weiter, die aber auch einer großen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Und darin ist natürlich auch eine gewisse Dis­krepanz.

Seit dem Fall Luca reißt die Serie von Kindesmisshandlungen nicht ab, jedenfalls werden sie in den Medien entsprechend publiziert. Und vor allem sind wir emotional extrem davon betroffen, weil es einfach Fälle sind, wo man auch aufgrund innerer Betroffenheit die schwierige Situation dieser Kleinkinder nachfühlen kann.

Es gibt ein vier Monate altes Baby, das Elma heißt, wo die Behörden prompt reagiert haben. Viele Menschen fragen sich: Ist das die Spitze eines Eisbergs oder sind es lediglich Einzelfälle, die sich jetzt zufällig häufen?

Es stellen sich natürlich auch Fragen, wie es wirklich mit unserem System ausschaut, das hier zuständig ist, wie es funktioniert, ob es Defizite gibt, wo man ansetzen muss. Wie unsere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im täglichen Leben zurecht­kom­men? Ob es Vertrauensbeziehungen zu den Familien gibt, wo Ängste bestehen, sie zu zerstören, wenn man vielleicht Anzeigen macht? Oder fehlt das Gespür dafür, wann Grenzen überschritten werden? Oder wie legt man diese Grenzen an, um wirklich rechtzeitig Anzeigen zu tätigen? Oder fehlt es an Mut, Anzeigen auch wirklich einzubringen?

Die Hauptaufgabe des Jugendamtes ist sicher immer der Schutz der Kinder, der im Vordergrund stehen muss, und vor allem auch der Schutz vor noch weiterer Gewalt, wenn es schon zur Gewaltanwendung gekommen ist. Wir haben derzeit Behörden, aber auch Ambulanzen und Ärzte, die sehr sensibilisiert sind und auch jeder Verlet­zung nachgehen. Ich habe so einen Fall auch in meiner eigenen Bekanntschaft erlebt,


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