Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 188

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Würde des Hauses im Vordergrund zu sehen – und bei den Formulierungen vorsichtig zu sein!

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Riener. 5 Minuten freiwillige Redezeitbe­schrän­kung; Restredezeit Ihrer Fraktion: 8 Minuten. – Bitte.

 


17.21.37

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Gewalt an Kindern ist ein ernstes beziehungsweise dramatisches Thema, das betroffen macht. – Ich bitte jetzt alle Anwesenden, sich die Frage zu stellen: Wer von Ihnen schreitet persönlich ein, wenn Sie ein Kind im Park oder in einem Geschäft sehen, das von seinen Eltern rüde am Arm gezogen oder anders grob behandelt wird, etwa einen Schlag aufs Gesäß bekommt? – Das ist nur eine Frage von Mut.

Frau Bundesministerin Berger, ich begrüße Ihre Ausführungen bezüglich des Opfer­schutzes und den von Ihnen beschriebenen Ausbau von Strafbestimmungen und Tatbeständen in Bezug auf Gewalttaten. Als Sozialarbeiterin habe ich aber Bedenken, wenn es um die strikte uns sofortige Anzeigepflicht im strafrechtlichen Sinn geht.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Werte KollegInnen! Stellen Sie sich vor, was wir in der behördlichen Sozialarbeit zu tun haben, wenn wir Hinweise auf Kindesmisshandlung und körperliche Gewalt bekommen. – Wir gehen zur Familie, wir machen uns ein Bild, wir sprechen mit den Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten, wir sprechen mit der Umgebung. Es gibt Gutachten von Ärzten und Psychologen. Und dann steht in einem Gutachten, dass nicht ausschließlich davon ausgegangen werden kann, dass eine gewisse Verletzung von einer Misshandlung stammt. Bei einer Anzeige im strafrechtlichen Sinn werden die Eltern aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Wie geht es dann weiter? – Die Eltern werden sicherlich mit ihrem Kind – und ich meine jetzt sehr kleine Kinder – zu keinem Arzt mehr gehen und werden auch kein Vertrauen zu der Sozialarbeiterin aufbauen, sie werden verhindern, dass das Kind mit anderen Personen in Kontakt kommt, und das Kind selbst ist mehr als vorher der Gewalt der Eltern ausgesetzt.

Zusammenarbeit zwischen Justiz und behördlicher Zusammenarbeit begrüße ich sehr. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Der Schutz des Kindes muss immer Vorrang haben, und dem müssen auch alle Gutachter Rechnung tragen. Was aber kann Babys und Kleinkindern wirklich helfen, dass sie solche Torturen nicht mehr erleiden müssen?

Wir müssen die Prävention stärken. Gerade mit Hilfe niedrigschwelliger Angebote wie zum Beispiel den Elternberatungsstellen können Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und Überforderungen auch wahrgenommen werden. Im Prinzip wollen Eltern das Beste für ihre Kinder. Wenn man aber überfordert ist und nicht gelernt hat, dass man sich ver­trauensvoll an jemanden wenden kann und einem geholfen wird, dann wird das Gefühl übermächtig, dass man das nicht mehr aushält und nicht mehr schafft. Zur Hilflosigkeit kommt die Aggression. Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit, Probleme zu formulieren und Auseinandersetzungen verbal auszutragen, haben oft Gewalt zu Folge, und zwar vor allem dann, wenn man das selbst in der Kindheit erlebt hat. Das soll aber jetzt nichts entschuldigen. Es soll auch entsprechende Strafen geben.

In diesem Zusammenhang ist ein Maßnahmenbündel erforderlich, und ich nenne jetzt einige Beispiele: Zunächst erwähne ich den Ausbau von Elternberatungsstellen in allen Bundesländern. Das steht zwar im Jugendwohlfahrtsgesetz, ist aber nicht verpflich­tend, und es kommt auch vor, dass Elternberatungsstellen und Eltern-Kind-Zentren nicht ausgebaut, sondern sogar geschlossen werden, weil das Geld nicht reicht.

 


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