Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll42. Sitzung / Seite 147

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griffen ein sehr großes, ein prioritäres Anliegen. Ein derartiger Schutz erfordert ein Zusammenwirken, einen kooperativen Ansatz, wo Jugendwohlfahrt, Schulen, Kinder­gärten, Staatsanwaltschaften und Gerichte, aber auch die Zivilgesellschaft für die Erreichung dieses Zieles zusammenwirken. Wir haben eine Aufgabe, deren Erledigung Gott sei Dank nicht bei null beginnt, sondern es gibt bereits sehr gute und zielführende Wege der Verfolgung dieses kooperativen Ansatzes.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, Kinder aus einem Umfeld, das ihr Wohl gefährdet, zu entfernen, selbstverständlich nach geltendem Recht bereits be­steht.

Auch die Polizei verfügt über entsprechende Befugnisse zur Gefahrenabwehr nach dem Sicherheitspolizeigesetz, etwa in Form des Betretungsverbotes, was auch sehr effektiv durchgesetzt wird.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendwohlfahrt können, meine sehr ge­schätz­ten Damen und Herren, bei Gefahr im Verzug schon nach geltendem Recht die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig auch ohne Ein­schaltung des Gerichts in eigener Verantwortung setzen. In der Jugendwohlfahrt wird in etwa 20 000 Fällen im Jahr von dieser Form auch Gebrauch gemacht. Außerdem können sie einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie als Vertreter des Kindes bei Gericht beantragen oder deren Durchsetzung bei den Sicherheitsbehörden veranlassen.

Und schließlich haben die Gerichte die Möglichkeit, als Eilmaßnahme die Obsorge einstweilig – vor der endgültigen Beschlussfassung in dieser Sache – auf eine andere Person, etwa auch – und im Regelfall – auf die Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen.

Dennoch muss zugestanden werden, dass Fälle wie jener des kleinen Luca nahelegen, dass es zu einer weiteren Verbesserung dieses Instrumentariums der Gewaltprä­ven­tion und auch der Verfolgung kommen muss. Auch hat die Frau Bundesministerin für Justiz gestern im Hohen Haus im Rahmen ihrer Stellungnahme zu einem von der FPÖ eingebrachten Dringlichen Antrag darauf hingewiesen, dass von jenen Instrumenten, die den Strafverfolgungsbehörden zu Gebote stehen, nur dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn diese auch tatsächlich von einem Fall von Gewalt erfahren, und das ist in noch viel zu geringem Ausmaß der Fall.

Prinzipiell ist es verkehrt, sich primär mit jenen Fällen – mit jener geringeren Zahl an Fällen – zu beschäftigen, von denen die Strafjustiz erfährt. Dabei würde übersehen, dass die weitaus überwiegende Zahl von Gewaltbeziehungen heute gar nicht zur Kennt­nis von Polizei oder Strafverfolgungsbehörden und Strafjustiz kommt. Worauf es also neben der strengen Verfolgung der Delikte, die zur Anzeige gelangen, vor­nehmlich ankommt, ist die Verstärkung des Bereichs der Prävention und die Aufhellung der großen Dunkelziffer jener Fälle, die nicht zur Kenntnis gelangen.

Die Frau Bundesministerin für Justiz ist deshalb für eine Revision und Verein­heit­lichung der bestehenden gesetzlichen Anzeigeverpflichtungen eingetreten. Zudem kommt es darauf an, deutlich zu machen, dass eine moderne, auf die Würde und auf die Rechte von Straftatopfern reflektierende Strafjustiz nicht primär als eine Gefahr, sondern zumindest auch als eine Chance für die Opfer gesehen werden kann, insbesondere was die Rechte der Opfer auf Sicherheit und auf eine gerechte Reaktion auf das von ihnen erlittene Unrecht anlangt.

Dieser Gedanke war oftmals so formuliert worden, dass im Interesse der Opfer von einer Strafverfolgungs-, einer Anzeigepflicht Abstand genommen werden sollte, weil das unter Umständen die Bereitschaft der Opfer verhindern oder vermindern könnte, Zugang zu den Jugendwohlfahrtseinrichtungen oder zu anderen helfenden und unter-


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