Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll44. Sitzung / Seite 85

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14.02.32

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren Minister – ich freue mich über Ihre so hohe Präsenz in dieser Sondersitzung, die das BZÖ für heute einberufen hat. Das ist gut so, somit hören Sie gleich alle gemeinsam, was wir zu sagen haben, und brauchen es sich nicht gegenseitig mitzuteilen.

Herr Bundeskanzler Gusenbauer, ich hoffe, Sie haben gestern in der Hofburg gut ge­feiert: ein Jahr Erfüllung Ihres Sandkisten-Traums, ein Jahr – aus Ihrer Sicht – das gro­ße Ich als Bundeskanzler, aber ich sage Ihnen gleich jetzt: Den Österreicherinnen und Österreichern ist nicht zum Feiern zumute. Diese sind enttäuscht von Ihren gebro­chenen Wahlversprechen, sie sind empört, wirklich empört über den Streit in dieser großen Koalition, und sie sind auch angewidert aufgrund der Belastungswelle und der sozialen Kälte, die nach einem Jahr Kabinett Gusenbauer durch dieses Land ziehen und sie belasten und im Würgegriff haben. – Das ist eigentlich das, was wir heute tat­sächlich diskutieren wollen. (Beifall beim BZÖ.)

Es wird nur noch gestritten, über alles wird gestritten. Zuletzt hat Klubobmann Cap so­gar eine Pressekonferenz gegeben, um darüber zu streiten, wer denn streitet und wer schuld am Streit ist. Nach einem Jahr einigt man sich endlich auf irgendetwas, und einen Tag später wird schon wieder gestritten: Hat man sich überhaupt geeinigt? Wer hat sich worauf geeinigt? – Schon wieder ist Streit da, und das ist schon sonderbar.

Das Einzige, Herr Dr. Gusenbauer, das Sie nicht und niemals abstreiten können, ist, dass Sie in Wirklichkeit mit Ihrer Regierung bereits jetzt, ein Jahr nach Ihrem Amtsan­tritt, gescheitert sind! (Beifall beim BZÖ.)

Ich erlaube mir an dieser Stelle, Ihnen für dieses eine Jahr ein Geschenk zu übermit­teln, und zwar ein Buch – es ist eigentlich ein Kinderbuch, aber doch recht passend für die Regierung – mit dem Titel: „Die kleinen Streithammel oder wie man Streit vermei­den kann“; Ähnlichkeiten mit bestehenden Personen sind rein zufällig, Herr Dr. Gusen­bauer. „Die kleinen Streithammel ...“ – auf der einen Seite die SPÖ, auf der anderen Seite die ÖVP –, ich darf Ihnen dieses Buch überreichen, Herr Dr. Gusenbauer, denn Sie brauchen es. (Der Redner überreicht Bundeskanzler Dr. Gusenbauer besagtes Buch.)

Was von Ihnen im Moment zu hören ist, sind nur noch Durchhalteparolen. Sie haben letztes Mal bei Ihrer Jubiläums-Pressekonferenz gemeint, der Ruf der Regierung sei schlechter als das, was sie darstellt. Wissen Sie, wann ich das zum letzten Mal gehört habe? Als ich noch in der Fußball-Bundesliga war. Damals hat der Trainer des abstei­genden Vereins, der schon ganz weit abgeschlagen war, vor dem Match in der Kabine gesagt: Liebe Kinder, Spieler, ihr seid eigentlich viel besser als euer Ruf! – Der Verein ist trotzdem abgestiegen. – Wir wollen nicht, dass Österreich mit Ihnen an der Spitze weiter absteigt, in die zweite Klasse fällt, sondern Österreich muss spitze bleiben. Durch Sie sehen wir das aber nicht gewährleistet, Herr Dr. Gusenbauer. (Beifall beim BZÖ.)

Zweiter Punkt – und das ist überhaupt sagenhaft –, die nächste Variante der Gusen­bauer’schen Politik. Nach den gebrochenen Wahlversprechen und den Durchhaltepa­rolen kommt jetzt: „Freunde, Schwamm drüber!“ (Der Redner hält einen Zettel, auf dem diese Worte zu lesen sind, in die Höhe.) Die neue Politik des Dr. Gusenbauer heißt: „Freunde, Schwamm drüber!“

Ich verstehe das, Herr Dr. Gusenbauer, dass Sie über dieses eine Katastrophenjahr am liebsten einen Schwamm drüberlegen wollen, aber die Österreicher wollen das sicherlich nicht, denn politische Verantwortung heißt nicht „Schwamm drüber!“, Herr Dr. Gusenbauer, sondern politische Verantwortung heißt: Arbeiten statt Streiten, Ge-


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