neues Wir-Gefühl, durch Zusammenrücken, Wärme innerhalb der Regierungsfraktionen sozusagen, wenn Sie wollen, Herr zu werden und politisch etwas zu erreichen. Da frage ich mich: Warum hat „Schulterschluss“ oder das Wort „zusammenrücken“ oder „gemeinsam“ oder „wir“ bei der Pflegeproblematik gar keinen Platz gefunden? Das muss ja einen Grund haben.
Ich erinnere mich schon noch daran, als der ehemalige Bundeskanzler Schüssel – wenn ich jetzt extrem freundlich bin, sage ich – in einer unvorsichtigen Wortwahl gemeint hat, es gebe keinen Pflegenotstand. Gerechter wäre es gewesen, wenn er gesagt hätte: Ich habe keinen Pflegenotstand. Aber eine 8-Millionen-Republik besteht nicht aus 8 Millionen Bundeskanzlern und Bundeskanzlerinnen – wäre auch nicht gut machbar. Also das heißt, mit dieser Aussage ist schon jedes Wir-Gefühl zwischen Regierung und den Betroffenen in Schall und Nebel verpufft.
Was tun wir hier? – Ich glaube, wir müssen den Leuten das Gefühl geben, dass man sie in ihrem Notstand und mit ihren Sorgen versteht. Versetzen Sie sich jetzt einmal in die Lage von alten, aber auch jungen Menschen, die Pflege und Betreuung brauchen! Wie fühlen sie sich, wenn ihnen vermittelt wird: Ihr alten Leute oder ihr Jungen, zu Pflegenden, seid in Zukunft nicht mehr finanzierbar, ihr seid Ursache eines zukünftigen Staatsbankrotts!, wenn martialische Ausdrücke kommen wie „Kostenexplosion“ oder „Überalterung der Gesellschaft“? Das Alter ist ja kein Straftatbestand. (Abg. Öllinger: Doch, zwei Regierungen haben so getan, als ob!) Alter ist zu würdigen und zu respektieren. Sie argumentieren vom Schreibtisch immer mit schönen Worten und tun aber so, als ob Sie Praxiserfahrung hätten als Praktikantin, die monatelang Leibschüsseln ausgeleert hat. Das ist alles abstrakt. Wenn man keine Betroffenheit durch Erfahrung und Selber-erlebt-Haben hat, macht man einfach keine gute Politik.
Worte wie „Überalterung“ und „Staatsbankrott“ lösen bei diesen Leuten natürlich ein Gefühl der Bedrohung und der Unsicherheit aus. Wenn ich höre, Österreich sei keine angstfreie Zone, möchte ich korrigieren und sagen: Ich wünsche mir, dass Österreich zu einer angstfreien Zone wird. – Vorläufig aber sind wir zwar atomkraftfrei, aber von Angstfreiheit ist noch weit und breit keine Spur. (Beifall bei den Grünen.)
Gerade weil die Sorgen ernst zu nehmen sind, weil Pflege und Betreuung für alle leistbar sein müssen – jetzt und in Zukunft –, fordere ich eben für alle Menschen ein Grundrecht, mit dem Pflege und Betreuung gesetzlich abgesichert werden. Wir Grünen fordern auch ein Grundrecht auf eine verbindliche, bundeseinheitliche Formulierung von Qualitätsstandards.
Es ist in der politischen Debatte unabdingbar notwendig, auch die vielfältigen Belastungen der Angehörigen und der Gesundheitsberufe in die Diskussion mit aufzunehmen. Ich habe es selbst an der Klinik erlebt, wie viele Frauen im Alter von über 50 „fix und foxi“ waren, und zwar nicht weil sie auf teuren Akutbetten gelegen sind, sondern weil sie ihren Schwiegervater, ihre Schwiegermutter, ihre eigene Mutter oder ihren eigenen Vater gepflegt – und es nicht mehr geschafft haben. Auch darüber muss man bitte einmal reden.
Für mich wirklich unerträglich ist, dass es in einer Republik mit 8 Millionen EinwohnerInnen neun unterschiedliche Standards und Gesetze – je nach Bundesland – gibt und somit die Leute das Gefühl haben, ihre Sicherheit, ihre Betreuung, ihre Pflege hängt vom Biorhythmus oder vom Sternbild eines Landeshauptmannes ab. Das kann es nicht sein! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kickl.)
Ich fordere ein Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger und die Gleichheit vor dem Gesetz vom Bodensee bis an die Grenzen der Puszta, wenn Sie es polemisch hören wollen. Und da wäre die Finanzierung natürlich eine wichtige Frage.
HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite