Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung / Seite 186

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dort demonstrierenden Arbeiter schoss, der als 13-Jähriger miterlebte, dass sein Vater, der ein Arbeiter war – ich spreche von einer konkreten Person –, vermutlich beim Feb­ruar-Putsch mitgewirkt hat und dann anschließend zwei Jahre in Wöllersdorf eingeses­sen ist, der miterleben musste, dass seine Heimat zu einer austrofaschistischen Dikta­tur wurde, in der es noch dazu nicht besonders gut ging und in der die Frau des dama­ligen Bundeskanzlers via Radio den Bürgern mitteilte, wie man aus Wursthäuten eine Suppe machen kann, der dann miterlebte, dass sein Vater – zurück aus Wöllersdorf – arbeitslos war, und der miterleben musste – und das muss man sich auch vergegen­wärtigen, man muss eben mit dem Kopf von damals denken und nicht mit dem Kopf von heute, wo wir viel mehr wissen! –, dass hier eine Diktatur war, die nichts zustande brachte, und drüben im Altreich, wie es man damals nannte, eine Diktatur war, die sehr wohl wirtschaftlich etwas zustande brachte. Daher waren die Sympathien damals ein­fach anders gewichtet.

Und als 1938 der „Anschluß“ kam, da glaubte dieser Mann – wie Hunderttausende und Millionen Österreicher –, dass sich nun alles zum Besseren wenden würde. Das war eben damals so! Und er meldete sich freiwillig – junge Menschen glauben so oft, dass sie das Richtige machen, und sie wissen nicht, dass es eben nicht das Richtige ist, weil sich alles anders entwickelt. Und über diese Freiwilligenmeldung kommt er zur Waffen-SS und erlebt die wildesten und die grauenhaftesten und die schwersten Einsätze, denn überall dort, wo es am grauenhaftesten und am schwersten in diesem Zweiten Weltkrieg war, wurde die Waffen-SS eingesetzt.

Durch einen unglaublichen Glücksfall geschah ihm nicht wie Tausenden und Abertau­senden, wie etwa 60 Prozent seiner Kameraden, dass er gefallen ist. Und die, die nicht gefallen sind, wurden anschließend, wenn sie in russische Gefangenschaft kamen, um­gehend erschossen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was ist das jetzt?) Und die, die übrigblie­ben, kamen zu wenigen Prozent nach einer langen Kriegsgefangenschaft wieder nach Hause und versuchten, ihr Leben neu aufzubauen, und waren mit Sicherheit geläu­tert – der Großteil. (Abg. Öllinger: Nein!) – Mit ganz wenigen Ausnahmen!

Und dann kommt das: Das heißt nichts anderes als Hass und Rache über das Grab hi­naus. Sie sagen es auch! Sie schreiben es auch! (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann es doch nicht sein! Wir können doch nicht Hass und Rache über das Grab hinaus üben, denn der, von dem ich gesprochen habe, ist vor elf Jahren verstorben, seine Frau inzwischen auch. Seine Kinder leben und verfolgen diese Diskussion, die es hier jetzt wieder gibt.

Meine Damen und Herren, irgendwann muss Schluss sein. Es kann doch nicht sein, dass Sie jetzt noch auf die Gräber jener, die genug mitgemacht haben und gelitten ha­ben, die genug gesühnt haben, spucken! (Abg. Dr. Mitterlehner: Wer tut das? – Abg. Öllinger: Wo hat der Mann gesühnt?)

Mein Vater ist vor 35 Jahren als 62-Jähriger verstorben. Mein Vater war auch so ein Fall. Seine Frau bekam eine ganz geringe Pension, weil ihm die Pensionszeiten, die er vorher als Verkehrspolizist – in dieser Zeit hat er studiert – erworben hat, nicht aner­kannt wurden. Er hat gesühnt, er hat sich ein Leben völlig frisch aufbauen müssen – eine Frau, vier Kinder, ein fünftes kam 1951 dazu. (Abg. Öllinger: Alle! Auch die nichts für den Krieg getan haben!) Sie bekam eine ganz geringe Pension, und ich muss für sie – und ich tue es auch sehr gerne – weiter Leibrente zahlen.

Warum lassen Sie diese Zeit nicht von Historikern bearbeiten? Warum müssen wir da­rüber jetzt noch reden und diskutieren? (Abg. Öllinger: Das ist bearbeitet!) Lassen Sie die Toten ruhen, sie haben genug gesühnt! (Beifall bei der FPÖ.)

18.51

 


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