Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll53. Sitzung / Seite 38

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Hofer hat sicher in einzelnen Punkten recht, dennoch ist dieses Gesetz etwas Notwen­diges. Man kommt natürlich zur traurigen Erkenntnis, dass das Parlament keine para­diesischen Zustände garantieren kann und dass Politiker wie auch Juristinnen und Juristen keine Kompetenzen für das ewige Glück haben. Daher stört mich in diesem Gesetz auch einiges.

Dennoch muss man schauen, was der Grund für diese Initiative war. Und da muss man nüchtern feststellen: Es ist einfach auch ein Resultat unterschiedlich großer Grau­zonen zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen, zwischen verschiedenen Kompe­tenzen. Das hat daher Unruhe bei den Vertretungsorganen der Gesundheitsberufe hervorgerufen, insbesondere bei der Gewerkschaft. Zusätzlich ist das Gesetz aber auch Resultat einer nicht sehr geglückten Regelung der 24-Stunden-Betreuung. Das muss auch dazugesagt werden.

Es ist aber deswegen notwendig, weil wir in dem Wunsch nach Perfektion nicht so weit gehen können, dass die Betroffenen ihre Bedürfnisse, Sorgen und ihre sozialen und finanziellen Nöte völlig außer Acht lassen. Das würden wir, wenn wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

Da möchte ich schon rekapitulieren: Eine 24-Stunden-Betreuung auf der Qualitäts­ebene von Gesundheitsberufen, diplomierten Pflegern und Pflegerinnen gibt es nur auf Intensivstationen. Das heißt, wir müssen uns klar darüber sein, dass diese 24-Stun­den-Betreuung nicht allein Domäne eines spezialisierten Berufes ist, sondern vielfach Teamarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen und auch selbstloser, teilweiser unbe­dankter Laienarbeit vor allem von Frauen. Auch das sollte man festhalten.

Diejenigen, die einer 24-Stunden-Betreuung bedürfen, machen nur 5 bis maximal 10 Prozent der Betroffenen aus, daher muss das Gesetz zwangsläufig, was nie gesagt wird, auch für jene gelten, die mehrere Stunden am Tag diese Betreuung brauchen oder mehrere Tage in der Woche, et cetera. Wir müssen uns anschauen, dass ohne dieses Gesetz, aber sogar mit diesem Gesetz bereits 20 Prozent jener Familien, die eine zu pflegende Person in ihrem Familienverband haben, in die Armutsgefährdungs­grenze gestoßen werden, weil auch diese simple Betreuung, wo medizinische und pflegerische Betreuung noch gar nicht dabei ist, unerschwinglich für die Durchschnitts­bürgerin und den Durchschnittsbürger ist – unabhängig davon, dass der Staat zweifels­frei jetzt etwas mehr zugeschossen hat. Dennoch bleibt es für viele unerschwinglich.

Ganz kurz zum Kollegen Rasinger, der noch den Schritt zur Sterbebegleitung getan hat und mit dem holländischen Modell gekommen ist: So rosig ist die Situation in Öster­reich nicht – und das sind auch Kranke und Sterbende und alte, gebrechliche Leute, über die wir da reden müssen! Die Ungleichheit im Sterben ist in Österreich massiv, Kollege Rasinger! Massivste Ungleichheit besteht im Sterbeprozess. Derselbe Mensch mit einer Diagnose mit derselben Prognose und Lebenserwartung zahlt, wenn er auf einer Palliativstation in einem Krankenhausverband aufgenommen wird, nichts. Will er zu Hause oder in einem Hospiz sterben, gibt es Selbstbehalte beim Sterben. Das ist eine Ironie, die schlichtweg – ich sage es zu keiner Person, sondern ganz allgemein – eine Sauerei ist. Hier ist der Ausdruck berechtigt. (Beifall bei den Grünen.)

Da, wo man sein Leben verliert, noch von Selbstbehalten zu reden, das ist zynisch und untragbar. Da muss ich schon sagen, diese Debatte stößt auch an die Grenzen des Föderalismus und seiner Politik. Die Zuständigkeit im Gesundheitswesen liegt im Bund und im Bundesministerium, und dann, wenn jemand ein Pflegefall wird – mir soll jemand erklären, ob gesunde Leute und gesunde Menschen gepflegt werden müs­sen! –, wird er zum Sozialfall, und die Kompetenz geht zu den Ländern und in das Sozialressort. Das ist meiner Meinung nach eine Paradoxie ohnegleichen. Nichts gegen föderale Systeme, aber von einer Lederhosen-Politik, wo man sich die Leder-


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