Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 97

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Daher verstehe ich auch nicht, warum es nicht möglich sein kann, einen Volksent­scheid herbeizuführen – einen Volksentscheid, Volksbefragung oder Volksabstimmung, einen Volksentscheid, damit man die Menschen mit einbaut.

Auch ein EU-Kommissar, einer, der es wissen muss, einer aus dem Zentrum der Euro­päischen Union, nämlich der frühere EU-Kommissar Frits Bolkestein, den wir kennen, hat Folgendes gesagt – ich zitiere –:

„Ein Referendum über den Vertrag ist notwendig, um der Idee entgegenzutreten, dass Europa dem Volk durch die Hintertür gewaltsam aufgedrängt wird.“

Das sagt ein EU-Kommissar. Damit hat er zu 100 Prozent recht. Es geht nicht immer nur um pro und contra, um die Argumente und den Dialog über den EU-Vertrag, son­dern es geht darum, dass man die Menschen dafür gewinnt, auch Teil von Europa zu sein. Und das geht nur, wenn man sie in die Entscheidungen einbindet und sie Teil Europas lassen wird. Das ist die einzige Entscheidung, die wir wollen. (Beifall beim BZÖ.)

In der Bundesverfassung steht auch drinnen, dass es eine Volksabstimmung zu die­sem Thema geben soll. Daher sind wir der Meinung, dass die Europäische Union, die jetzige Form der EU, im Moment nichts anderes ist als ein Zug mit hochbezahlten Schaffnern, aber leider ohne Fahrgäste; ohne Menschen fährt er durch Europa.

Es ist nicht gelungen, die Menschen von diesem Projekt zu überzeugen. Ich bleibe da­bei: Ich bin ein glühender Österreicher, aber auch ein kritischer Europäer. (Abg. Dr. Brinek: Was haben Sie dazu beigetragen?) Nicht, dass es dann wieder heißt, wir seien nur negativ, pessimistisch, wir hätten keine Vision: Wir haben selbstverständlich auch eine Vision eines funktionierenden Europas. Unser europäisches Modell ist ein freies, selbstbewusstes und selbstbestimmtes Österreich in einem sicheren, friedlichen Europa – allerdings ohne Zwang, ohne Zentralismus, ohne Bevormundung! Das ist un­sere Vision eines funktionierenden Europas. Es ist ein Europa der Völker, ein Europa der freien Meinungen und auch der freien Meinungsbildung. Das ist eine Vision von einem funktionierenden Europa.

Es ist ein soziales Europa, Herr Klubobmann Cap, das sich weniger um die europäi­sche Armee als viel stärker um die europäischen Armen kümmert. Es herrscht derzeit hohe Armut in der Europäischen Union. Ein Europa mit sozialer Verantwortung, das letztlich auch die Herzen der Menschen erobert und gewinnt, weil es die Sorgen der Bürger ernst nimmt. Das heißt, die Menschen ernst zu nehmen, das heißt, nicht Volks­entscheidungen und Mitbestimmung vom Tisch zu wischen, sondern die Anliegen der Menschen auch als gute Europäer, auch als kritische Europäer ernst zu nehmen. Das ist unsere Vision von einem funktionierenden Europa. Deswegen sehen wir uns genau­so als gute Europäer wie Sie, haben aber einen kritischen Ansatz. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist nun einmal so, dass wir mit diesem Vertrag – und das ist unsere zentrale Kritik – Einschränkungen in vielen Bereichen haben. Ich muss wirklich sagen – ich gestehe das hier auch durchaus zu –, es wurde in den vergangenen Wochen viel Falsches ge­sagt. (Abg. Dr. Brinek: Ja, vom Herrn Strache!) Jawohl, das muss man zugestehen. Wir sind nicht der Meinung, dass in diesem EU-Vertrag steht, dass jetzt die Todesstra­fe kommt. (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Dr. Schüssel und Dr. Brinek.)

Wir sind auch nicht der Meinung, dass es jetzt eine besondere, eine zusätzliche beson­dere Aushöhlung unserer Neutralität gibt, denn das ist mit dem EU-Beitritt schon pas-


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