ger Jahre gewesen sein – an ein längeres Gespräch mit Ferdinand Lacina, dem damaligen Finanzminister, der mir unter anderem sinngemäß erklärt hat: Schau, anders als durch den EU-Beitritt werden die verkrusteten Strukturen Österreichs nicht aufzulösen sein.
Das hat mir sehr zu denken gegeben. Tatsächlich hätten wir heute immer noch das Zuckerkartell, die unheilige Allianz von drei Sozialpartnern, der Landwirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und der Zuckerbarone, die in Österreich die Zuckerpreise über Jahrzehnte künstlich hoch gehalten haben. Eine Kleinigkeit, aber eines der zahllosen Kartelle, die damals Österreich beherrscht haben – zu Lasten der österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen!
Machtlos wären wir heute noch gegen das Zinsenkartell der Banken, wenn es nicht die EU-Kommission gäbe, die über solchen Missbrauch von wirtschaftlicher Macht wacht. Das gegenseitige Zuschanzen von öffentlichen Aufträgen auf Gemeindeebene, auf Landesebene, auch auf Bundesebene war damals gang und gäbe, Herr Strache. Das unterbinden die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union und deren Überwachung durch die Europäische Kommission. (Abg. Strache: Die Preissteigerungen im Handel beweisen das?!)
Unter meinen Freunden gibt es viele, die der Globalisierung gegenüber sehr skeptisch eingestellt sind und mit Sorge die Entwicklung großer multinationaler, transnationaler Konzerne sehen. Tatsächlich ist diese Entwicklung mit Sorge zu betrachten. Aber – sage ich daraufhin – welche Institution der Welt, die amerikanische eingeschlossen, außer der EU wäre in der Lage, einen weltweit marktbeherrschenden Konzern wie Microsoft in die Zange zu nehmen? – Das frage ich Sie.
Die EU-Kommission hat Microsoft aufgrund des Missbrauchs seiner Marktmacht, des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung im Jahr 2006 mit 280 Millionen € bestraft, 2007 mit 500 Millionen €, 2008 mit 900 Millionen €: in Summe 1,7 Milliarden €! Glauben Sie denn, Herr Strache – Microsoft steckt das schon weg, aber wurscht ist es denen nicht –, Österreich auf sich allein gestellt, außerhalb der EU – Ihr berühmtes Schweizer Muster, Sie wollen ja raus aus der EU –, Österreich allein würde gegen Konzerne dieser Art irgendein Mittel in der Hand haben? Das glauben Sie im Ernst? Sind Sie größenwahnsinnig? – Das geht nur innerhalb der Europäischen Union! (Beifall bei den Grünen.) Nur innerhalb der Europäischen Union, und das ist wichtig! (Abg. Strache: Die arme Schweiz! Der geht es sooo schlecht!)
Ganz abgesehen davon, dass transnationale, grenzüberschreitende Umweltprobleme heutzutage auch nur durch transnationale Kooperation innerhalb einer solchen Institution wie der Europäischen Union gelöst werden können. (Abg. Strache: Am besten gleich den NATO-Beitritt, Herr Van der Bellen! Am besten gleich NATO-Beitritt!) – Mein Gott, mit Ihnen zu diskutieren ist echt sinnlos! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ja, es ist echt sinnlos. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Dieses Verhaltensmuster, dass die Europäische Union an allem schuld ist und die Verdienste bei der jeweiligen Bundesregierung liegen, ist ja bei Ihnen genau dasselbe, nur spiegelverkehrt. Die EU ist an allem schuld, da unterstützen Sie jede Bundesregierung – das ist ja direkt lachhaft! Es ist kein Wunder, wenn die Europäische Union in Österreich – aber nicht nur da, sondern auch in verschiedenen Mitgliedstaaten der Union – ein derart geringes Sozialprestige, wenn man so will, eine derart geringe Reputation gewinnt.
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