Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 108

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noch hier im Parlament, geschweige denn bei einer Volksabstimmung. Das kann kein Grund sein, eine Volksabstimmung zu verneinen, da gebe ich Ihnen vollkommen recht.

Im Übrigen war es bei Zwentendorf auch nicht so, dass die Bürger in vollständiger In­formiertheit über diese komplexe AKW-Frage abgestimmt hätten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Im Falle Zwentendorf haben die Bürger zum Teil – zu einem kleinen Teil, aber zu einem entscheidenden kleinen Teil! – aus den falschen Motiven die richtige Entscheidung getroffen. Denn wenn ich mich recht erinnere, waren Gewerkschaften, Industriellenvereinigung und wesentliche Teile der ÖVP massiv für das Aufsperren von Zwentendorf. Wann ist die Stimmung gekippt? Was hat ihr sozusagen den letzten Kick gegeben? – Bruno Kreisky, der gesagt hat, er würde zurücktreten, wenn die Volksab­stimmung negativ ausgeht! Da sind die schwarzen Wählerinnen und Wähler scharen­weise zu den Urnen gegangen und haben mit Nein zu Zwentendorf gestimmt – in der Hoffnung, Kreisky loszuwerden!

Es ist eben anders ausgegangen: Sie haben Zwentendorf nicht bekommen, und Kreis­ky war immer noch da. (Heiterkeit bei der ÖVP.) – So viel zur damaligen Weisheit des Volks im Fall Zwentendorf: richtiges Ergebnis aus zum Teil fragwürdigen Motiven.

Meine Lieblingsvorstellung von der Ratifikation solcher Verträge wie desjenigen, über den wir heute reden, ist eine ganz andere. Wir haben jetzt ein Vetorecht von 27 natio­nalen Parlamenten; auf die Dauer, finde ich, geht das nicht. Meine Vision, mein Traum – der wird sich in den nächsten zwanzig Jahren sicher nicht verwirklichen, da kann ich Sie beruhigen – für solche Änderungen ist: Mehrheit der europäischen Parla­mente – soll sein qualifizierte Mehrheit, sagen wir zwei Drittel – und europaweite Volks­abstimmung, einfache Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen.

Europaweit wird am selben Tag abgestimmt. Wenn das europäische Volk mit Mehrheit nein sagt, ist die Sache gestorben und erledigt. Wenn das europäische Volk mit Mehr­heit ja sagt, tritt die Vertragsänderung grundsätzlich in Kraft, und jenes Land, das sich auf Regierungs- oder Volksebene nicht dazu durchringen konnte, ja zu sagen, hat dann die Wahl, entweder es sich noch einmal zu überlegen und in der Union zu blei­ben, aber mit den neuen Spielregeln, oder aus der Union auszutreten.

Genau diesen Gefallen tun ja wir, die große Mehrheit in diesem Haus, Ihnen, Herr Stra­che, weil im neuen Reformvertrag die Möglichkeit des Austritts aus der Union, die Sie seit Monaten täglich verlangen, eröffnet wird. Wir werden natürlich bis zum Letzten da­für streiten, dass Österreich ein wichtiges Mitglied der Union bleibt, weil wir glauben, dass per Saldo, bei aller Kritik im Detail, unterm Strich die Vorteile der Mitgliedschaft bei Weitem überwiegen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ich finde ja, der Reformvertrag wird in seiner Bedeutung ein bisschen übertrieben ge­wichtet. Ja, er bringt wesentliche Fortschritte in der Handlungsfähigkeit der Union, und das ist gut. Er bringt wesentliche Fortschritte in der Demokratisierung, in der Gewalten­teilung in der Union, und das ist gut. Perfekt ist er noch lange nicht – noch lange nicht! –, aber er ist immerhin besser, und zwar bedeutend besser, als das, was wir jetzt haben, nämlich der Vertrag von Nizza, der natürlich weiter in Kraft bliebe, wenn dieser Reformvertrag abgelehnt wird. (Abg. Dr. Graf: Das war doch alles so gut! Haben wir ja dauernd gehört!)

Bei meinen Freunden und Freundinnen auf der sozusagen linken Seite der Republik stelle ich manchmal fest, dass sie eine übertriebene Erwartung davon haben, was in so


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