Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 109

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einem Vertrag sinnvollerweise drinstehen kann, beziehungsweise dass sie glauben, dass ein Text allein die Politik ersetzt. Da stehen wichtige Dinge drin, ja – aber die müssen erst mit Leben erfüllt werden, später durch die Politik, durch uns, durch unsere Parlamentarier in Brüssel und so weiter!

Ein kleines, aber wichtiges Beispiel: Wäre der Reformvertrag schon in Kraft, wäre auch die Grundrechtscharta schon in Kraft, sodass die Betonung der Menschenrechte, der unteilbaren Würde des Menschen und so weiter größeres Gewicht als heute hätte – wäre es deswegen für die europäischen Politiker leichter, eine einheitliche Haltung zu Tibet zu haben? Die Menschenrechtsverletzungen, die dort passieren, entsprechend anzuprangern, ihre Stimme im Rahmen der Vorbereitung der Olympischen Spiele ein­hellig zu erheben? – Ich weiß es nicht, weil die Gemeinsame Außenpolitik immer noch eine Frage der Einstimmigkeit ist, auch nach dem neuen Reformvertrag.

Das heißt, wir haben hier Fortschritte, aber es wird an uns liegen, an uns Politikerinnen und Politikern, am Druck der Bürgerinnen und Bürger, dies mit Leben zu erfüllen und etwas daraus zu machen, was der Rede wert ist. Vorläufig, Herr Strache, ist das nur Papier. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Aber tun wir das: Füllen wir diese Papierseiten! Das wäre das Wichtige. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei SPÖ und ÖVP.)

12.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Bundeskanzler Dr. Gusen­bauer zu Wort gemeldet. Die Redezeit beträgt 14 Minuten. – Bitte.

 


12.14.23

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute ein historischer Tag für das österreichische Parlament, weil hier ein weiterer Schritt gesetzt wird für die Entwicklung des wahrscheinlich erfolgreichsten Modells, das es in der Geschichte Europas jemals gegeben hat, nämlich der Europäischen Union.

Diese Europäische Union hat es – im Unterschied zu allen Jahrhunderten und Jahr­zehnten davor – geschafft, die Wunden, die der Zweite Weltkrieg in Europa geschlagen hat, zu heilen. Danach hat es diese Europäische Union geschafft, auch die Wunden, die der Kalte Krieg in Europa geschlagen hat, zu heilen. Jetzt stehen wir vor der gro­ßen Herausforderung, jene Wunden zu heilen, die der Krieg im ehemaligen Jugosla­wien geschlagen hat.

Ich bin davon überzeugt, dass die Europäische Union auch diese Herausforderung bewältigen wird, weil die Europäische Union vom humanistischen, vom demokrati­schen und vom friedenspolitischen Standpunkt das erfolgreichste Projekt der Zivilisa­tion ist. Ich stehe uneingeschränkt zu diesem Projekt, weil es gut für Österreich, gut für seine Menschen und gut für Europa ist! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Rosenkranz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen alles Interesse daran haben, dass dieses Europa funktioniert. Österreich war ehemals in einer Randlage gelegen, 50 Kilometer von uns entfernt war der Eiserne Vorhang, und wir haben quasi die wahr­nehmbare Zivilisationsgrenze dargestellt. Heute ist Österreich im Zentrum dieses neu­en, dieses freien Europas, und dieses Österreich profitiert mehr als viele andere Staa­ten in der Europäischen Union auch von der wirtschaftlichen Entwicklung.

 


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