Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll56. Sitzung / Seite 109

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Zweiter Punkt: Jene, die möglicherweise flüchtig sind – aus Gründen, die sie selbst besser kennen als wir –, würden wahrscheinlich keinen Pensionsantrag mehr stellen.

Das heißt, es geht Ihnen offenbar mehr um eine symbolische Geste, und ich glaube, daher ist das Argument vom rechtstheoretischen Ansatz her richtig: Wenn es keine kollektive Unschuld gibt, kann es auch keine kollektive Schuld geben.

Aus diesem Grund lehnen wir diesen Antrag ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dr. Cap.)

13.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.59.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist offensichtlich vor der Zeit möglich gewesen, zu antworten. – Zunächst das Prinzipielle: Wir werden der Erinnerungszuwendung von 1 000 € natür­lich unsere Zustimmung geben, aber, Herr Kollege Amon – Sie haben es ja selbst gesagt –, es handelt sich hiebei um eine symbolische Geste. Ja, das ist richtig: Die Erinnerungszuwendung ist eine symbolische Geste. So, wie wir in dem einen Fall dafür sind, dass eine symbolische Geste gesetzt wird, sind wir auch in dem anderen Fall dafür, dass eine symbolische Geste gesetzt wird, und zwar auch eine rechtspolitische Geste.

Ich sage Ihnen auch: Ich stehe deshalb hier, weil es die Meinung der Grünen ist, dass Nichtkriegsverbrecher des deutschen Nationalsozialismus eine Rente für ihre Tätigkeit als Kriegsverbrecher erhalten sollen. Ich spitze das bewusst zu, denn wenn Sie sagen, Herr Kollege Amon ... (Abg. Amon: Das müsste nachgewiesen werden!) Nein, das müsste nicht nachgewiesen werden. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass Österreich sich bei den Rentenzahlungen als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches verstehen sollte.

Es geht darum, Herr Kollege Amon: Wenn jemand bei der Gestapo, bei der SS, beim Sicherheitsdienst der SS oder bei der Waffen-SS – und das sind alles keine Orga­nisationen, mit denen Österreich irgendetwas zu tun hatte, zu keiner Zeit; wir sind nicht der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches –, wenn jemand in diesen Organisa­tionen tätig war, dann soll er für diese Zeit keine Rentenleistungen erhalten; nur für diese Zeit, für die er – in der Regel „er“ – für die Gestapo, für die SS, für die Waffen-SS oder für den Sicherheitsdienst der SS tätig war. Um diese vier Organisationen geht es, und das sind allesamt keine österreichischen Organisationen. Jedenfalls habe ich bis jetzt noch von niemandem etwas gehört, mit Ausnahme vielleicht von einigen Frei­heitlichen, die Verantwortung auch für diese Zeit beanspruchen wollen.

Ich sage Ihnen, es geht nicht um Moral. Es geht darum: Wie versteht sich Österreich? Da haben wir gehört, Österreich – diese schwierige Debatte kennen wir – als Opfer des Nationalsozialismus, mit den Erweiterungen: Ja, es haben auch Österreicher von innen und von außen den „Anschluß“ vorbereitet!, aber ich habe noch nie gehört, dass jemand gesagt hat, dass Österreich in dieser Zeit der Rechtsnachfolger war und sich nach 1945 – so ist es richtiger formuliert – als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches versteht.

Wenn jemand als Österreicher – jetzt nenne ich ein Beispiel aus der aktuellen Zeit – jetzt bei einer fremden Wehrmacht tätig ist, dann hat er strafrechtliche Konsequenzen zu gewärtigen, und niemand würde nur irgendwie daran denken, zu sagen, jemand, der heute beispielsweise für die Armee von Nigeria tätig ist ... (Abg. Amon: Das ist ja abstrus!) – Nein, das ist nicht abstrus, Herr Kollege Amon. Selbstverständlich gibt es


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