Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 72

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Aber das Strafrecht allein, das wurde schon gesagt, das Strafrecht allein hat ja die Crux, dass es Verbrechen ahndet, die schon passiert sind. Die große Frage ist: Welche Maßnahmen kann man zusätzlich treffen, um die Vorbeugung zu verschärfen, um der Prävention mehr Raum zu geben?

Einer der Punkte, abgesehen von den Punkten, die offensichtlich sind, ich komme dann gleich darauf zu sprechen, aber ein wichtiger und sehr schwieriger Punkt ist sozusagen die kulturelle Einschätzung der Familie in Österreich. Es sind fast immer Männer, die solche Gewalttaten begehen, Männer in einer autoritär beherrschten Familie, in denen der Vater wie der Liebe Gott angesehen ist – wobei dieser Vergleich schon blasphemisch ist; es ist eben kein Lieber Gott, sondern ein absoluter Herrscher, der die Kinder als sein Eigentum, als seinen Besitz betrachtet, und die Ehefrau genauso.

Hier hat sich viel verändert in den letzten Jahren und Jahrzehnten, aber offenbar nicht genug. Es wird immer noch weggeschaut statt hingeschaut, wenn gewitzelt wird über solche Verhältnisse, wer die Hosen anhat im Haus und so weiter, und dass ein Mann etwas „gilt“, wenn er seine Familie autoritär beherrscht.

Mir ist zwischendurch eingefallen, dass man, als ich klein war, in Tirol, wo ich aufgewachsen bin, wenn man einen anderen Buben oder ein Mädchen gefragt hat, wie er/sie heißt, damals die Redewendung nicht war: Wia hoaschst?, sondern: Wem g’herscht denn du? – Eine sehr eigenartige Redewendung. „Wem g’herscht denn du?“, das heißt: Wem gehörst du?, gemeint im Zweifel: Zu welchem Hof gehörst du?, aber es schwingt auch mit dieses Besitzen, dass das Kind der Besitz von jemandem ist. Und das muss man wirklich im Alltag beobachten und nicht zuschauen, wenn Kinder geschlagen et cetera werden. Das liegt viel an uns allen. (Allgemeiner Beifall.)

Darüber hinaus gehören in den Kindergärten, in den Schulen, in den Sozialämtern, in den Jugendämtern, in der Jugendwohlfahrt viele Frauen und Männer – in der Regel sind es Frauen – hier auch besser geschult, besser ausgebildet, und es braucht mehr Personal. Das ist nicht so einfach zu erkennen, was los ist, wenn das Kind zum Beispiel im Kindergarten oder in der Schule Verhaltensauffälligkeiten zeigt, die es vorher nicht gezeigt hat. Man kann ja nicht bei jedem solchen Anlassfall nach der Polizei oder nach dem Jugendamt anrufen!

Das sind sehr heikle Abwägungsfälle für die Betroffenen, wo sie die bestmögliche Schulung brauchen, und soweit ich informiert bin, ist derzeit in der KindergärtnerInnen- und LehrerInnenausbildung allenfalls am Rande die Rede von solchen Dingen, aber es erfolgt keine systematische Ausbildung für solche Fragen. Dazu wird Barbara Zwerschitz von meinem Klub noch Stellung nehmen.

Was ganz sicher nicht geht, Herr Kollege Westentaler: Vorschulkinder jedes Quartal auf Anzeichen sexuellen Missbrauchs zu überprüfen. Vorschulkinder jedes Quartal ...? (Abg. Ing. Westenthaler: Gewalt und Missbrauch!) – Ich meine, sind Sie wirklich ...? (Abg. Ing. Westenthaler: Das gibt es schon! In Deutschland gibt es das schon! In Hessen! Ich erkläre es Ihnen nachher!) Sie erklären mir das nachher. – Ich fürchte mich bereits davor, denn das, was Sie hier wollen, bedeutet, Generationen von gestörten Kindern heranzuziehen, von verstörten Eltern zu haben! Das ist doch Irrsinn, was Sie hier vorschlagen! (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie in diesem Zusammenhang einen Misstrauensantrag gegen Justizministerin Berger ankündigen, dann kann ich nur sagen: ohne die Grünen! Ganz im Gegenteil: Das vorsichtige Herangehen von Justizministerin Berger, das unhysterische An­schauen des Problems, das Überlegen: Was kann sinnvollerweise getan werden?, genau das ist das Gebot der Stunde! Und hier verdient die Justizministerin unsere Unterstützung. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


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