Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 155

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Dieses EU-weite Alarmsystem gibt es seit Tschernobyl. Es wurde mit dem Sinn instal­liert, dass bei grenzüberschreitender radioaktiver Verseuchung möglichst alle Mitglied­staaten raschest informiert werden und auch entsprechend reagieren können. Wir wis­sen aus der Geschichte, dass das damals erst sehr spät geschah und viele Schäden, die eingetreten sind, hätten vermieden werden können.

Von der slowenischen Seite wurde bereits wenige Stunden später klargestellt, dass es sich um keinen echten Ernstfall handelt, sondern es wurde Entwarnung gegeben. Es war glücklicherweise kein atomarer Notfall.

Trotzdem, die europäische Öffentlichkeit war weitgehend geschockt. Es ist noch einmal glimpflich ausgegangen, keine Frage, aber es war für uns alle auch ein Testlauf, zu sehen, was passiert, wenn etwas passiert, beziehungsweise zu sehen, was alles nicht passiert. Es ist eine Reihe von großen Fragezeichen offen, über die man auch hier im Parlament reden muss und reden soll.

Es gibt offensichtlich eklatante Lücken im Informationssystem.

Noch einmal den Ablauf kurz vor Augen geführt: Um 15 Uhr wird das Leck entdeckt. Es ist der Primärkreislauf, das heißt, es ist der Kühlkreislauf, der dafür verantwortlich ist, dass der Reaktorkern immer auf einer bestimmten Temperatur bleibt und nicht darüber hinaus geht.

Die slowenischen Behörden benötigen 2 Stunden 38 Minuten, um Brüssel zu informie­ren.

Es dauert weitere 25 Minuten, bis die EU-Alarmmeldung im österreichischen Innenmi­nisterium eintrifft.

Und dann dauert es noch einmal eine Zeit lang, erst 3 Stunden 49 Minuten nach Entdeckung des Lecks im Primärkühlkreislauf wird die in Österreich hauptzuständige Strahlenwarnzentrale im Umweltministerium informiert.

Die österreichische Bevölkerung erfährt das alles eigentlich aus den deutschen Me­dien, Freunde aus Deutschland haben angerufen und gefragt: Wisst ihr schon, dass da etwas passiert ist? Die Österreicherinnen und Österreicher haben das also noch vor der Stellungnahme des Umweltministers aus deutschen Medien erfahren.

Aber der wichtigste Punkt: Da wird eine sehr, sehr relevante Information quer durch ganz Europa geschickt, und die wirklich entscheidende Stelle, nämlich die Strahlen­warnzentrale im Umweltministerium, die die Aufgabe hat, zu bewerten, was tatsächlich passiert ist und was man in dieser Situation dagegen unternehmen kann, wie man die österreichische Bevölkerung schützen kann, welche Maßnahmen sofort zu treffen sind, diese Strahlenwarnzentrale wird tatsächlich erst 3 Stunden 49 Minuten nach dem Zwi­schenfall informiert! Und das ist der Punkt, über den wir reden müssen.

Keine Frage, es gibt schwere Versäumnisse auf Seiten der slowenischen Behörden, aber – und das ist der Punkt, an dem auch Ihre Verantwortung als Umweltminister beginnt, Herr Kollege Pröll –: Warum ist das überhaupt möglich, warum ist nicht eine direkte Verbindung zwischen dem AKW-Betreiber, zwischen demjenigen, der als Erster die Information hat, und den österreichischen Nachbarn, die wissen, was zu tun ist, um die Bevölkerung zu schützen, verbindlich vorgegeben? Warum gibt es keine rechtlich verbindliche Verpflichtung, kein Abkommen mit Slowenien, kein Informationsabkom­men, in dem ganz klar festgehalten ist, dass eine sofortige, unverzügliche Information vom AKW-Betreiber an die österreichischen Strahlenwarnzentrale stattfinden muss? (Beifall bei den Grünen.)

 


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