Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll65. Sitzung / Seite 48

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Es mag aber auch erstaunen, weshalb es in einem Land, das eindeutig auf der Gewin­nerseite steht, dessen Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten besser als der Durchschnitt in der Eurozone sind, zu einem derart eklatanten Auseinanderklaffen der Verhältnisse kommen kann. Doch die Gründe dafür sind teilweise auch im restlichen Europa zu finden. Zunehmende Einkommensunterschiede, soziale Unzufriedenheit, die Angst des Mittelstands vor dem Abrutschen in die Modernisierungsfalle, Stichwort Energie-, Bil­dungs- und Lebenshaltungskosten, verantwortungslos geschürte Diskussionen über Massenzuwanderung und die damit verbundene Kriminalität stechen in erheblichem Ausmaß jene Vorzüge aus, die zweifellos anzumelden sind.

Der verbreiteten Skepsis gegenüber der EU in Österreich muss durch eine konsequen­te Einbindung der Bevölkerung in die europäische Politik begegnet werden. Gelingt dies nicht, bleibt es bei einer EU-Diskussion, die wesentlich von Angstmotiven geleitet ist. Kontinuierliche Information und der zu intensivierende öffentliche und engagierte Diskurs mit den Österreicherinnen und Österreichern sind eine Möglichkeit, zu größe­rer Partizipation beizutragen und stärker in die geltende EU-Politik einzugreifen. Dies soll auch dazu beitragen, den ernst zu nehmenden Sorgen und der Verunsicherung der Menschen zu begegnen.

Das ist aber nicht genug. Es gibt aus meiner Sicht mehrere Ansatzpunkte, eine Trend­wende einzuleiten. Wir müssen uns alle aufmachen und der Anstrengung unterziehen, die Skeptikerinnen und Skeptiker zu überzeugen. Einer davon ist die Volksabstim­mung, am besten auf europäischer Ebene, denn Volksabstimmungen stellen ein Instru­ment dar, mit dem alle politischen Verantwortungsträger in die Pflicht genommen wer­den, die Menschen zu überzeugen, sich direkt mit der Bevölkerung auseinanderzuset­zen. Dies geschieht offensichtlich nicht in ausreichendem Maße. Allein mit Plakataktio­nen, Broschüren und Inseraten werden wir nicht genug bewegen.

Viele Menschen kennen den Vertrag von Lissabon und wissen um seine zahlreichen Vorzüge und die Vorteile, die die Staatengemeinschaft, aber auch die jeweiligen natio­nalen Vertretungen und nicht zuletzt jeder Einzelne daraus erzielen können. Das Sig­nal für die Bürgerinnen und Bürger muss klar und eindeutig sein: Wir haben verstanden und wir wollen mit euch in einen sehr ernsthaften Dialog treten.

Ich spreche mich ganz klar dafür aus, zukünftige Vertragsänderungen einer Volksab­stimmung zu unterziehen. (Abg. Ing. Westenthaler: Europaweit oder nur in Öster­reich?) Das gilt sowohl für einen neuen Reformvertrag als auch für wesentliche Ände­rungen des Vertrags von Lissabon, die auch wiederum einer Ratifizierung bedürfen würden. Weiters bin ich übrigens auch davon überzeugt, dass die Aufnahme von Kroa­tien und die Perspektive eines Beitritts auch anderer Staaten des Balkans eben einen wichtigen Beitrag zu Prosperität und Stabilität in unserer unmittelbaren Nachbarschaft leisten werden.

Der Beitritt der Türkei hingegen würde die derzeitigen Strukturen der EU überfordern. Ein eventueller Beitritt der Türkei wäre in jedem Fall einer Volksabstimmung in Öster­reich zu unterziehen, was ebenfalls ja nichts Neues ist, weil es bereits im Regierungs­programm gestanden ist.

Es braucht aber auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Änderung der Politik, der Politik Europas. Europa muss sozialer werden und die Interessen der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer endlich in den Mittelpunkt stellen. Europa muss endlich Antworten auf die Fragen finden, die die Menschen berühren, wie die Teue­rungsrate, die steigenden Lebensmittelpreise und den Klimawandel.

Leider ist die heutige EU eine konservative. Die Kommission, der Rat, das Europäische Parlament sind von Konservativen beherrscht. Und jene Konservativen verschließen die Augen vor den Problemen der Menschen. Für ein besseres Europa einzutreten


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