Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll65. Sitzung / Seite 169

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verführbar. Und es sollte der Politik auch etwas wert sein, wenn sie sozusagen nicht mit „Stimmvieh“ – ein wüster Ausdruck – rechnet. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sollten Geld dafür investieren – und niemand wird mir erklären, dass Studienge­bühren ein Anreiz sind, zu studieren. Österreich braucht, nur um den Schnitt der EU-Studierenden an einem Altersjahrgang zu erreichen, der in der EU bei 53 Prozent liegt, bei uns bei 37 Prozent, de facto – wir haben es oft genug gesagt – 100 000 Studieren­de mehr. Und wenn Sie glauben, das erreiche man, wenn man Studiengebühren ver­langt, diesen Beweis müssen Sie mir wirklich einmal vorhüpfen. Österreich zählt mit Frankreich zu den einzigen Nationen, die im Jahr 2005 weniger Studierende hatten als 1998. Das ist doch blamabel!

Reden wir jetzt nicht über Studierende! Für viele sind Studierende ein Feindbild. Ein Staatssekretär hat einmal zu mir gesagt: Was ist das für ein Blödsinn mit Studienge­bühren? Die Studierenden haben ohnehin so viel Geld, denn jedes Mal, wenn ich in ein gutes Restaurant gehe, nehmen mir die Studierenden die Parkplätze weg! – Das sind doch dürftige Argumente; diese möchten wir auch nie mehr wieder hören. Seinen Na­men nenne ich jetzt nicht.

Aber es trifft nicht nur Studierende, sondern auch den viel und häufig gedankenlos zi­tierten Mittelstand. Die Studierenden arbeiten so viel wie noch nie, 60 Prozent, nicht nur um Praxis für das Studium zu erwerben, sondern überwiegend – das besagen Sta­tistiken und gute Studien, akademische Studien –, um ihren Lebensunterhalt zu finan­zieren.

Sagen Sie mir einmal Folgendes: Was machen Eltern, die zwei Kinder haben, die bei­de nicht im elterlichen Wohnverband leben oder am Wohnort studieren? Was machen Eltern, wenn die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Studierende mit 800 € in­klusive Miete angegeben werden? Das sind 1 600 € – und das sind mindestens 300 € oder 400 € mehr als das monatliche Durchschnittseinkommen der ÖsterreicherInnen. Was sollen die tun? Ist das fördernd für Eltern, ist das fördernd für die Jugend, das Risiko eines Studiums auf sich zu nehmen? – Ich glaube, nein.

Da, finde ich, müssten schon alle Alarmglocken läuten. Das ist kein billiges Mantra, kein Betonieren, keine Sturheit der Grünen, zu sagen, dass Studiengebühren – sicher, das gebe ich schon zu, sagen auch andere – nicht die allergrößte aller Katastrophen der Welt sind. Aber muss eine Politik daran gemessen werden, ob sie nur Katastro­phen erzeugt – oder ob sie auch bildungspolitische Signale setzt? – Wenn sie bil­dungspolitische Signale setzt, soll sie Jugendlichen und ihren Eltern zeigen, dass Stu­dierende an Universitäten und im tertiären Bildungsbereich willkommen sind und nicht, dass man sich vor ihnen fürchtet: Was? Schon wieder 100 € mehr? Wie soll ich das bezahlen?

Der Staat hätte das Geld. Studierende zahlen laut Berechnungen durch ihre später etwas höheren Einkommen nahezu alle an sie abgegebenen Transferleistungen dem Staat über ihre Steuern retour, verzichten aber jahrelang auf ein Einkommen. Das schlägt sich auch nieder.

Sagen Sie mir, welcher Studierende diese 45 Jahre Beitragszahlungen zur Pensions­versicherung erreicht? Davon redet niemand! Studieren ist nicht nur – schon auch, aber nicht nur – ein Privileg, sondern vielfach auch harte Arbeit und bedeutet Verzicht für den einzelnen Studierenden und seine Angehörigen.

Wenn man weiß, dass alleinerziehende Mütter im Studium aus finanziellen Gründen nicht mehr weiterkommen, dass Bedingungen an den Universitäten herrschen, die un­verschuldete Studienverzögerungen bewirken, sage ich: Sa muss man etwas tun! Bitte glauben Sie mir: Ich rede wirklich keinen Unsinn, das lässt sich alles begründen. Öster-


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