Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 119

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schlagnahmungen von Unterlagen und Computern vollkommen lahm gelegt, 10 Per­sonen wurden festgenommen, 23 Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt. Zwei Tage später wurde über die 10 Personen Untersuchungshaft verhängt, die bis heute anhält. Begründet wird die Untersuchungshaft mit „Verdunkelungsgefar“ und „Tatbege­hungsgefahr“ sowie dem Verdacht der Beteiligung an einer kriminellen Organisation gem. § 278a StGB. 

1. Rechtswidriges Polizeiliches Vorgehen

Bereits kurz nach den geschilderten Polizeimaßnahmen kam es zur Schilderung von Rechtswidrigkeiten und Unverhältnismäßigkeiten.

In darüber eingeleiteten Beschwerdeverfahren gestand die Oberstaatsanwaltschaft Wien in einer Stellungnahme vom 25.6.2008 mittlerweile ein, dass die gewaltsame Öff­nung der Türen gesetzwidrig erfolgte, und dass in zumindest einem Fall die Haus­durchsuchung von vornherein unzulässig war, da keinerlei Anfangsverdacht gegen die Wohnungsinhaber bestand. Die Begründung für die Hausdurchsuchungen und die An­gabe der zu suchenden Gegenstände war in den Anordnungen jeweils zu unbestimmt formuliert. Zu weiteren Vorwürfen, dass etwa gesetzwidrig die Beiziehung von Vertrau­enspersonen und Rechtsbeiständen verweigert wurde oder die Bewohner der Wohnun­gen menschenunwürdig behandelt wurden, indem sie etwa in Unterwäsche stunden­lang am Gang vor den Wohnungen stehen mussten, sowie dass in zumindest zwei Fäl­len gesetzwidrig DNA-Proben entnommen wurden, haben sich bisher weder die Krimi­nalpolizei noch die Oberstaatsanwaltschaft geäußert.

Über die anhängigen Beschwerden wurde noch nicht entschieden, es ist jedoch zu er­warten, dass weitere Instanzen zahlreiche Rechtswidrigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte im Zuge der Polizeimaßnahmen feststellen werden.

2. Fragwürdige Verhängung der Untersuchungshaft und diffuse Vorwürfe

Die Untersuchungshaft wurde mit den Haftgründen der Verdunkelungs- und der Tatbe­gehungsgefahr begründet.

Da bei der angeführten Polizeiaktion sämtliche Computer und Datenträger beschlag­nahmt worden sind, ist nicht nachvollziehbar, worin die „Verdunkelungsgefahr“ beste­hen soll.

Eine Tatbegehungsgefahr konnte schon deshalb nicht begründet werden, da den Be­schuldigten und ihren Rechtsvertretern nicht mitgeteilt wurde, welche konkreten Straf­taten vorgeworfen würden. Auch Akteneinsicht wurde erst im Verlauf der folgenden Wochen schleppend und nur teilweise gewährt, so dass eine ordnungsgemäße Vertei­digung unmöglich war. Der allgemeine Vorwurf einer „kriminellen Organisation“ ist – wie unten noch zu zeigen ist – strafrechtlich nicht haltbar.

Einzeldelikte, welche in den Haftverhandlungen vom 6.6.2008 erstmalig einigen Be­schuldigten vorgeworfen wurden, haben sich, wie in einer Stellungnahme der Ober­staatsanwaltschaft Wien vom 19.6.2008 bestätigt wird, großteils als unhaltbar erwie­sen. Bei einer angeblichen Brandstiftung an einer Jagdhütte stellte sich etwa heraus, dass diese durch einen Ofen verursacht wurde, was von den Jägern  zunächst auch der Versicherung gegenüber verschwiegen wurde. In anderen Fällen hat ein von der Polizei geführter angeblicher Belastungszeuge – über dessen Einvernahme auffallen­der Weise keine Niederschrift existiert – die ihm zugeschriebenen Aussagen sofort be­stritten. Diesbezüglich hat ein Verteidiger bereits Strafanzeige gegen die ermittelnde Beamtin eingebracht.

Die verbleibenden Einzelvorwürfe wie etwa das Klopfen auf ein Autodach, das Aus­streuen von Papierschnitzeln, eine Tierbefreiung von Schweinen und einige geringwer­tige Sachbeschädigungen (Beschädigung von Plakatständern, Einwurf einer Fenster­scheibe) können eine Untersuchungshaft unter keinen Umständen rechtfertigen.

 


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