einen sehr großen Anspruch gegeben, über dem Konvent und danach den Verfassungsvertrag Europa auf eine neue Grundlage zu stellen, zu einem Zeitpunkt, als die große Mehrheit in Europa sehr stark pro Integration ausgerichtet war.
Leider haben sich während der Diskussionen zu diesem Verfassungsvertrag die Kräfteverhältnisse in Europa verändert. Es ist wieder stärker auch das Bewusstsein, mehr auf nationaler Ebene zu lösen, in den Vordergrund getreten, und letztendlich ist dieser Verfassungsvertrag auch an zwei Referenden gescheitert; wir wissen nicht, wie andere ausgegangen wären. (Abg. Strache: Sie haben sie auch nicht zugelassen!)
Daher hat man nach einer Nachdenkpause einen erneuten Versuch unternommen und hat den Reformvertrag von Lissabon beschlossen, der anders ist als der Verfassungsvertrag und auf einige wesentliche Schritte der weiteren Integration verzichtet, aber trotzdem ein wesentlicher Fortschritt ist für das weitere Zusammenwirken in Europa.
Daher haben wir diesen Vertrag ausverhandelt, wir haben ihn unterschrieben (Abg. Kickl: Bejubelt!), und das österreichische Parlament hat diesen Vertrag ratifiziert. (Abg. Kickl: Bejubelt habt ihr ihn!) Ich halte das für einen richtigen Schritt (Abg. Strache: Dass Sie keine Volksabstimmung gemacht haben!), weil dieser Vertrag von Lissabon erneut einen Meilenstein in der Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit darstellt. Und ich erachte es als wichtig, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die diesen Vertrag bereits ratifiziert haben (Abg. Strache: Das ist jetzt der Briefinhalt nach Brüssel!); ich hoffe, die anderen werden uns nachfolgen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Das ist jetzt der Briefinhalt nach Brüssel!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das Problem, das wir haben, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen?
Das eine Problem ist, dass viele Menschen spüren, dass wir am Beginn einer Zeitenwende stehen (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen ist eine Zeitenwende!), und die heutigen Erdölkurse, die Preise für Nahrungsmittel, die Preise für Rohstoffe sind der Beginn sehr großer Umwälzungen, die weltweit stattfinden werden – mit einer Neuverteilung von Reichtum, mit einer Neuverteilung von Einfluss (Abg. Strache: Der Armut!) und auch mit einer Neuverteilung der Macht auf der Welt. (Abg. Strache: Und der Armut!)
Die Menschen haben ein sehr feines Sensorium und haben den Eindruck, dass hier die Gefahr besteht, dass sie in diesem gewaltigen Umwälzungsprozess auf der Strecke bleiben könnten. Und das ist, glaube ich, das Hauptmotiv dafür, dass viele Menschen heute Zukunftsängste haben – bei uns in Österreich in einem großen Ausmaß, aber auch der Pessimismus in der Europäischen Union ist ein relativ großer. Und daher glaube ich, dass es eine Hauptaufgabe von Politik auf nationaler und auf europäischer Ebene ist, den Menschen, die verunsichert sind, hier wieder Halt zu geben, Haltegriffe einzubauen, an denen sie sich festhalten können, weil sie diese Stabilität brauchen, um ihr eigenes Leben und ihre eigenen Bedürfnisse entwickeln zu können.
Ich glaube daher, dass an einem sozialeren Europa, das sich darum kümmert, dass nicht nur die Wirtschaft gut funktioniert – und das tut sie zum Glück –, sondern dass mehr Menschen von dem erwirtschafteten Reichtum auch etwas haben, dass an diesem sozialen Europa kein Weg vorbeiführt, wenn man in Zukunft die europäische Einigkeit erzielen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das Zweite ist: Ich glaube, dass die Menschen den Eindruck haben, es werden manchmal Entscheidungen weit weg von ihnen, weit entfernt von ihnen getroffen. Das ist ein Problem, das wir auf allen Ebenen der Politik haben, und daher steht Politik immer wieder unter dem Druck, erneute Legitimation zu erlangen.
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