Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 37

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Wir haben in den vergangenen Jahren in Europa gesehen, dass verschiedenste Mit­gliedstaaten immer wieder, auch wenn sie verfassungsrechtlich nicht dazu gezwungen waren, Referenden veranstaltet haben, weil sie das Bedürfnis gehabt haben, über einen solchen Referendumsprozess eine stärkere Legitimation des europäischen Pro­jekts in ihrem eigenen Land zu erreichen.

Glauben Sie, dass im Jahr 2005 die spanische Regierung ein Referendum veranstaltet hat, um zu sagen: Wir wollen raus aus Europa!? – Nein, ganz im Gegenteil: Die haben ein Referendum veranstaltet, um eine große Bewegung in Gang zu setzen, die Men­schen erneut vom europäischen Projekt zu überzeugen. Und 80 Prozent der Bevölke­rung haben dort auch zugestimmt.

Es hat eine Reihe von anderen Mitgliedstaaten gegeben, die Referenden hatten, die dafür und dagegen ausgegangen sind. Mir hat der ehemalige dänische Ministerpräsi­dent Poul Nyrup Rasmussen erzählt, dass er in Dänemark Referenden verloren und gewonnen hat. Aber das Gesamtergebnis der direkten Beteiligung der Bevölkerung ist heute, dass das Europabewusstsein in Dänemark ein höheres ist als in vielen anderen Staaten.

Und ich glaube, das Problem, mit dem wir uns alle befassen müssen, ist, dass wir in Österreich rund ein Drittel der Bevölkerung haben, die harte Gegner des europäischen Einigungsprozesses sind. Wir haben etwas weniger als ein Drittel – in der Zwischenzeit nur mehr 28 Prozent –, die starke Befürworter dieses Prozesses sind. Und dazwischen haben wir viele Menschen, die sehr skeptisch geworden sind. Und was wir nicht zulas­sen dürfen, ist, dass aus diesen Skeptikern in Österreich harte Gegner des europäi­schen Einigungswerkes werden, denn das würde heißen, dass wir auf Sicht die Mehr­heit der Bevölkerung für den europäischen Prozess verlieren.

Ich plädiere daher dafür, diesen Dialog mit jenen Menschen, die skeptisch und kritisch sind, ganz offensiv zu führen, weil wir sie zu denen dazu gewinnen wollen, die schon heute Befürworter des europäischen Einigungsprozesses sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Und manchmal ist es notwendig, den Menschen die Ernsthaftigkeit des Dialogs auch dadurch zu signalisieren, dass man sagt (Abg. Dr. Schüssel: Rubikon, nicht?): Am Ende eines solchen Prozesses entscheidet nicht die Politik alleine, sondern es ent­scheidet gemeinsam die Bevölkerung mit der Politik. (Abg. Dr. Schüssel: Der Rubi­kon! – Caesar: „Alea iacta est!“)

Ich komme zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin. Ich glaube nach wie vor, dass der Satz des großen Europäers Jacques Delors richtig ist, der gesagt hat: „Nichts geht gegen die Menschen und nichts bleibt ohne die Institu­tionen.“

Und daher kann ich Sie nur dazu aufrufen, diese Zustimmung zu Europa in der öster­reichischen Bevölkerung wieder mehrheitsfähig zu machen (Abg. Dr. Schüssel: Fan­gen Sie damit an! Beginnen Sie damit!), den Menschen ein ernsthaftes Angebot zu ma­chen, dass am Ende nicht die Politik alleine, sondern die Politik gemeinsam mit der Bevölkerung über die gemeinsame Zukunft Europas entscheidet. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dr. Plass­nik das Wort zur Abgabe ihrer Erklärung. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.27.38

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Diese heutige Debatte hätte unter anderen Vorzeichen stattfinden sollen; sie war geplant als Erklä-


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