Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 83

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ben. (Ruf bei der ÖVP: Geißbock!) – Ob es ein Geißbock oder ein Schafbock war, das weiß ich nicht; jedenfalls war es ein Bock. (Abg. Strache: Schießen Sie keinen!) Davon kommt ja auch der Ausdruck „Sündenbock“. Das, was die Israeliten laut Altem Testa­ment gemacht haben, findet ja heute auch statt.

Einen Sündenbock zu suchen ist eine menschliche Eigenschaft. Für die Gemeinden sind die Länder schuld, wenn etwas nicht klappt; für die Länder der Bund, das wissen wir, und für den Bund und viele andere ist es die EU. (Abg. Strache: Nein, die österrei­chische Regierung! Für diese Fehlentscheidungen ist die österreichische Regierung verantwortlich! Die hat diese Verträge verhandelt! Die eigene österreichische Regie­rung ist verantwortlich!) Auftretende Probleme werden oft auf die Europäische Union geschoben, weil es viel leichter ist, dagegen zu schimpfen, als in eigener Verantwor­tung Probleme zu bekämpfen und dagegen etwas zu tun. Das ist das Problem.

Jetzt ist aber eine geradezu groteske Situation eingetreten, meine Damen und Herren, denn: Die SPÖ hat sich jetzt selbst zum Sündenbock gemacht – das ist einmalig, dass sich jemand selbst dazu macht –, hat sich sozusagen selbst die Hand aufgelegt und sich mit dem Brief an Herrn Dichand gleich selbst in die Wüste geschickt. Das ist ein­malig, meine Damen und Herren von der SPÖ, das muss Ihnen erst einmal jemand nachmachen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Darauf komme ich dann noch zum Schluss.

Über der ganzen Causa prima, die heute hier diskutiert worden ist, und dem Verhalten der einzelnen Parteien sollten wir, wie ich meine, auch eine Facette, einen Teil der europäischen Politik nicht vergessen zu beleuchten, nämlich das, was am Westbalkan beziehungsweise in Südosteuropa passiert ist.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wie blutig dort die Geburt der Staaten war, wie blutig und schmerzhaft der Zerfall des ehemaligen Jugoslawien war. Sieben Staa­ten sind daraus entstanden: Serbien, Kosovo, Mazedonien, Slowenien, Kroatien, Bos­nien-Herzegowina und Montenegro. Sieben Staaten sind aus diesem ehemaligen Tito-Jugoslawien entstanden. Die einen haben es leichter gehabt, die anderen haben sich Rechte blutig erkämpfen müssen. Hätte es – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – zu diesem Zeitpunkt die Europäische Union, ein gemeinsames Europa nicht gegeben, dann wären diese Konflikte auch auf andere Länder übergeschwappt. (Abg. Strache: Wieso wäre Österreich da in den Krieg hineingezogen worden? Erklären Sie uns das bitte!)

Wir wissen aus der Geschichte, dass es da viele Sympathien gegeben hat; die Franzo­sen beispielsweise für die Serben und so weiter. Da war ein einheitliches Vorgehen der europäischen Staaten und der Staatengemeinschaft das einzig Mögliche, um noch mehr Blutvergießen zu verhindern. (Abg. Strache: Wie meinen Sie das? Wieso wäre Österreich da in den Krieg hineingezogen worden? – Abg. Dr. Schüssel: Durch Flücht­linge!) – Ja, durch Flüchtige. (Abg. Strache: Haben wir eh gehabt! Wir haben doch eh geholfen! 70 000 Bosnier haben wir aufgenommen! Ich weiß nicht, was Sie uns da er­zählen! Sie reden völlig an der Realität vorbei!) Glauben Sie nicht, Herr Strache, dass, wenn es keine gemeinsame europäische Politik gegeben hätte, alte Seilschaften dort wieder aufgelebt wären? Lernen Sie ein bisschen Geschichte, Herr Strache, denn dann wüssten Sie, was ich meine. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, die Europäische Union nimmt ihre Verpflichtung mit der Un­terstützung dieser Länder wahr: in Form von Direkthilfe, in Form von Direktzahlungen. Jetzt werden Sie wahrscheinlich auch sagen: Die verschwenden und verschleudern unser Geld! – Nein, wissen Sie, was geschieht? – Es werden dort Infrastrukturmaßnah­men und Bildungseinrichtungen geschaffen, es wird dort die Wirtschaft angekurbelt (Abg. Strache: Bei uns fehlt das Geld! Bei uns wird bei der Bildung gespart! Bei uns


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