Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 108

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In dem Moment, in dem man einen Bereich vorzieht, erschwert man die Gesamtreform, die ohnehin – und zwar unabhängig von der Frage der Nationalratswahlen – von der Regierung und vom Parlament, sei es auch in neuer Zusammensetzung, gelöst werden muss. Das ist in Wirklichkeit der Grund dafür, dass die Besoldungsreform in der Proku­ratur heute noch nicht beschlussfertig ist. Es bestünde sonst die Gefahr, dass man jetzt einen Vorgriff macht, der, wenn Sie so wollen, Ergebnisse einer Dienstrechtsreform, die stattfinden muss, bereits vorbestimmt und damit den Bewegungsspielraum für künf­tige Verhandlungen einschränkt.

Ich weiß, für den Präsidenten der Prokuratur ist die Situation nicht einfach. Er muss qualifiziertestes Personal nachbesetzen, er investiert viel Geld in die Ausbildung – denn in unserer Prokuratur sind wirkliche Spitzenleute tätig – und ist gleichzeitig im al­ten Schema gefangen. Ich bitte um Geduld für die Monate, die es dauert, bis wir diese Dienstrechtsreform durchführen können, in welcher Zusammensetzung auch immer.

Fair wäre es nicht, diesen Teil zu prädisponieren, wenn er noch nicht endgültig – wenn man so will – fix ist. Das ist er noch nicht! Ich bitte, in diesem Sinne die grundvernünf­tige Position des neuen zuständigen Staatssekretärs Mag. Schieder durchaus wohlwol­lend zur Kenntnis zu nehmen. Er sagt mit dem Blick aufs Ganze: Bitte, machen wir das wie vereinbart zusammen mit der großen Dienstrechtsreform.

Ich glaube, dass die Prokuratur den Anwälten kein Geschäft wegnehmen wird. Ich ver­stehe, dass in diesem Haus, in dem natürlich auch viele Anwälte sind, die Angst be­steht, dass mit dem Gesetz eine Situation geschaffen wird (Abg. Dr. Fichtenbauer: „Angst“ ist der falsche Ausdruck!), in der ein Teil möglicher Umsätze mit der öffentli­chen Hand wegfällt. Ganz ehrliche Antwort, Herr Abgeordneter – meine erste habe ich im Ausschuss gegeben, ich wiederhole sie auch hier –: Auch ich bin lange hier geses­sen. Man ist in der Situation, dass man einen Berufsstand sehr gut kennt, immer dazu verführt, durchaus bis ins Detail zu sehen, was sich negativ entwickeln könnte. Es bedeutet ein hohes Maß an Selbstdisziplin, diesen Teil in seinem Hirn – man lebt ja in seinem freien Beruf – auf die Seite zu geben und ihn ganz nüchtern zu sehen.

In diesem Sinne appelliere ich an alle Anwälte in allen Reihen, die sich vielleicht nicht ganz leicht tun: Ich glaube, es ist ein wirklich guter Kompromiss! Im Bereich des Bun­des tritt die Prokuratur als Erstes auf. Bei Kollisionen ist klar, dass zuerst die gesetz­liche Vertretung greift und daher mögliche sonstige Mandanten der Prokuratur nicht be­treut werden können; das kann man nicht anders lösen. Im Bereich anderer Gebiets­körperschaften ist aber der Rechtsanwaltstarif zur Anwendung zu bringen – bei Ge­meinden und Ländern –, und dort ist die Finanzprokuratur einfach ganz normal eine weitere Rechtsanwaltskanzlei, die beauftragt werden kann.

In diesem Sinne kann ich den Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsanwaltsbe­reich nur sagen: Keine Angst vor einer normalen Marktwirtschaft! Das kennen wir alle: Wir müssen uns um ein Mandat bewerben. Es ist die gleiche Honorarordnung, die dem zugrunde liegt, und wenn man gute Arbeit macht, habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass gute Anwältinnen und gute Anwälte in dem Fall sagen: Da bin ich schneller, fixer und vielleicht sogar billiger als die Prokuratur. Aber dieser Bereich sollte zulässig blei­ben. In diesem Sinne verstehe ich, dass viele Abgeordnete sagen: Das ist eine Erwei­terung der Möglichkeiten, das ist kein Zwang und eine nicht so schlechte Lösung.

In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn wir dieses Gesetzesvorhaben heute er­ledigen können. Sonst würden wir für viele Monate die Chance auf weitere Neustruktu­rierung der Prokuratur hintanstellen. Ich würde mich freuen, wenn das Gesetz heute schon die Zustimmung finden könnte. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.56

 


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