Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung / Seite 110

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Ich erteile Ihnen das Wort.

 


13.59.16

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das ist eben der Unterschied in der Argumentation zwi­schen uns – das muss man so festhalten –, dass Sie schlichtweg die Grundbegriffe eines freien Berufsstandes in Wirklichkeit nicht erkennen wollen. So sage ich es jetzt einmal. Es gibt nun einmal den freien Berufsstand, und dieser ist seit Implementierung nach dem Jahre 1848 de facto immer in Bedrängnis gewesen, sei es vom Kammer- und Sozialstaat, von der Obrigkeit oder von wem auch immer. Er war bis zu einem gewissen Grad auch immer ein lästiger Berufsstand.

Wenn man heute hergeht – und das ist für mich das wirklich Frappante: es braucht auch immer die Freiberufler, um Freiberufler umzubringen; das nennt man in anderer Sprache: „das eigene Nest “ – und eine staatliche Organisation in den Wettbewerb setzt mit einem freien Berufsstand, dann brauchen wir gar nicht wirklich nachzudenken, um zu wissen, wer diesen Wettstreit im Wettbewerb gewinnt.

Und dass eine staatliche Institution nach anderen Mechanismen funktioniert, wird ja wohl in diesem Hohen Haus niemand bestreiten. Wie funktioniert denn dort die Posten­vergabe in der Regel, wie wir als gelernte Österreicher wissen? – „Ganz sicher nach Kriterien, die ein freier Berufsstand an sich hat!“, werden Sie mir jetzt sagen, so nehme ich an. – Ich sage Ihnen, es wird nicht so sein!

Wie funktioniert das am Ende? – Na selbstverständlich, wenn man die Kompetenzen in einer Hand bündelt, dann ist es gar nicht so schwer, auch fachlich relativ und sehr gut zu sein. Und natürlich wird die Finanzprokuratur auch gute Arbeit leisten – es sagt ja niemand, dass das nicht so wäre. Aber am Ende gibt es den Sog zur staatlichen Agen­tur! Ganz selbstverständlich wird es den geben, und es wird kaum mehr Aufträge ge­ben, die im Wettbewerb vergeben werden.

Es stimmt ja überhaupt nicht, dass nur große Kanzleien in der Lage sind, diese abzu­arbeiten! – Daran sieht man ja schon, dass Sie sich überhaupt nicht profund damit be­schäftigt haben, weil Sie sich offensichtlich die derzeitigen Auftragsvergaben im Be­reich der Gemeinden gar nicht angesehen haben.

Das Ganze zu vergleichen mit der Bundesbuchhaltungsagentur ist überhaupt die größ­te Chuzpe! (Abg. Tamandl: Ich habe es nicht verglichen!) Zu sagen, dass man dort einen Steuerberater des Bundes hat!? – Man muss ja einmal davon ausgehen: Was hatte man denn bis dahin? – Bis dahin hatte man in jedem Ministerium eine Buchhal­tungsabteilung! – Und diese hat man zusammengefasst. Das ist ja ganz etwas anderes als das, was jetzt hier passiert: Da ist es schon ausgelagert, und man holt das jetzt in Wirklichkeit in der ersten Tranche herein! – Genau das ist es. Und dann kommt es auch zu diesem Sog.

Dass die Rechtsanwälte seit 1945 – vielleicht sogar schon länger – permanent in ihren Befugnissen eingeschränkt wurden, zeigt ja schon alleine der Umstand, dass sich Hinz und Kunz – überhaupt, wenn die Republik Österreich dabei ist – „Anwalt“ nennen darf: „Patientenanwalt“, „Volksanwalt“ und weiß Gott, was es noch alles gibt! Es ist doch ohnedies schon jeder ein „Anwalt“! Es ist ja nicht einmal mehr ein Markenzeichen übrig geblieben – nur „Rechtsanwalt“ dürfen sie sich nicht nennen.

Von den Berufsfeldern wurde scheibchenweise mit jeder Legislaturperiode ein Feld ab­getrennt: die Vertretungsbefugnis im Arbeits- und Sozialgericht, die Vertretungsbefug­nis in Insolvenzangelegenheiten, und, und, und – scheibchenweise sind der angeblich noch freie Wettbewerb und der Markt weggenommen worden.

 


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