Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 12

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Diese Perspektive möchte ich mit einer Bemerkung abschließen, weil ich in diesen Ta­gen oft gefragt werde: Ist das direktes Geld der Steuerzahler? – Wir geben Haftungen, meine Damen und Herren, und unser Ziel ist, dass wir mit diesem Schutzschirm ver­meiden, dass wir direkte Mittelflüsse, Steuergeld direkt einsetzen. Wir wollen jetzt die Sicherheit geben, damit das Problem nicht dann entsteht. Auch dazu wieder ein Bild: Das ist ungefähr so, wie wenn in einer Gemeinde zur Sicherheit der Menschen bei­spielsweise ein Feuerwehrauto angeschafft wird. Es will niemand, dass es brennt, aber wenn es brennt, dann muss dieser Schutzschirm, dieser Schutzschild vorhanden sein, damit wir richtig helfen können. Niemand will, dass diese Haftungen schlagend werden. Es ist nicht das Ziel, dass wir Eigenkapital in die Banken einfließen lassen – aber wenn es notwendig ist, dann haben wir das Instrument.

Meine Damen und Herren! Zweite große Perspektive, neben der Krisenbewältigung, ist: Wie geht es weiter? Was lernen wir daraus? – Ich halte es für eine große Aufga­benstellung der Politik auch auf europäischer Ebene, dass wir uns im Klaren darüber sind, dass Europa in dieser Frage beispielsweise mit den neuen Bewertungsrichtlinien, die ja schon beschlossen sind, mit den neuen Eigenkapitalrichtlinien, mit Richtlinien für die Managementgehälter, mit einer neuen europaweit geltenden Richtlinie für die Einla­gensicherung für die Sicherheit der Sparer, mit der Frage einer eigenständigen euro­päischen Rating-Agentur bei Krediten oder etwa mit der schrittweisen Europäisierung der Aufsichten die richtigen Antworten geben muss.

Ich sage Ihnen sehr offen, auch ich habe in diesen letzten Monaten und Wochen meine Meinung in einer Frage geändert: Ich war ursprünglich der Meinung, es würde reichen, die nationalen Aufsichten bestmöglich zu vernetzen. Das wird auch notwendig sein, aber dass wir darüber hinaus am Ende des Prozesses eine europäische Aufsicht ha­ben für jene Banken, die europaweit tätig sind, ist eigentlich eine logische Konsequenz. Diese Lernfähigkeit erwarte ich auch von anderen. Österreich wird neue Initiativen ein­bringen beziehungsweise hat das auch schon auf Basis einer Initiative des Hauses. Die Spekulationssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sind unver­zichtbar, meine Damen und Herren, wenn wir langfristig in Europa und auf globaler Ebene neue Fundamente schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Daher die dritte große Aufgabenstellung, meine Damen und Herren: Es wird zu einer Neugestaltung der weltweiten Finanzarchitektur kommen, davon bin ich überzeugt, und es besteht jetzt die ganz große Chance, dass Europa aus dieser kritischen Situation tatsächlich als Trendsetter, als wirklich jene Gemeinschaft, die die Spielregeln be­stimmt, auftreten kann. Das ist eine große Chance für unseren Kontinent, eine große Chance für unsere Heimat, eine große Chance für unsere Wirtschaft. Warum? – Weil dieses neue europäische Selbstbewusstsein dazu führen muss, dass es nicht mehr wie in der Vergangenheit geschehen kann, dass etwa die USA die Basel-II-Spielregeln be­stimmen, Europa dann diese Basel-II-Spielregeln anwendet, die USA aber nicht. Oder: dass es Rating-Agenturen gibt, die de facto ausschließlich auf US-amerikanischem Recht basieren. – Da braucht es europäische Antworten!

Meine Damen und Herren, ich halte es für eine faszinierende Chance, dass wir aus dieser Krise heraus die richtige europäische Perspektive setzen. Sie sehen, die USA bilden unser europäisches System bei ihren eigenen Programmen nach. Gestern etwa bei dem Gipfel mit Barroso, Sarkozy und Präsident Bush ist ein Weltfinanzgipfel für vo­raussichtlich 21. bis 23. November, also nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten, vereinbart worden. Dort hat Europa die grundsätzliche Chance, die soziale Marktwirt­schaft auch in den Finanzmärkten weltweit als Fundament zugrunde zu legen; eine Marktwirtschaft, die aus meiner Sicht heißt: erstens klare Spielregeln, zweitens Trans­parenz der Märkte – sie müssen durchschaubar sein für alle, auch für die Kunden –


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