Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 22

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matische Verlust von Vermögenswerten – Stichwörter: Börsenkapitalisierung, Wert von Aktien weltweit um rund die Hälfte gefallen im Jahre 2008; im Einzelfall, wenn je­mand Pech hat bei seinen Veranlagungen, natürlich erheblich stärker – und zweitens die Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten mit den Auswirkungen für die Kreditmärkte.

Die Maßnahmen, die wir heute beschließen, betreffen den zweiten Teil, die Vertrau­enskrise und das, was die Amerikaner oder die Engländer „freezing up of capital“, „freezing up of credit“ nennen, aber natürlich nicht den ersten Teil, denn wie soll man die Börsen auch wieder in Schwung bringen?

Es lohnt sich vielleicht, einen kurzen Blick auf einen Faktor zu lenken – er war natürlich nicht der alleinige, der diese Krise in Gang gesetzt hat –, nämlich auf die sogenannte Subprime Krise in den USA. Die amerikanische Regierung ist an dieser Entwicklung nicht schuldlos. Die amerikanische Regierung hat zum Beispiel Hypothekarkreditpolitik mit Sozialpolitik verwechselt. Die amerikanische Regierung hat eine Zeit lang die ent­sprechenden Banken und Sparkassen geradezu genötigt, sehr großzügig zu sein mit Hypothekarkrediten für den Häuslbau, nach dem Motto: Jedem Amerikaner sein eige­nes Haus oder Häuschen. – Verständlich, nur: Auf dem Kreditmarkt betreibt man keine Sozialpolitik!

Das hatte den Effekt, dass heute Millionen von Amerikanern in Häusern sitzen, bei de­nen die Hypothek mehr ausmacht als den Wert des Hauses. Es wird Jahre dauern, bis das bereinigt ist. Das wäre ja, soweit gesehen, „nur“ – „nur“ unter Anführungszeichen – ein Problem der Amerikaner. Aber das eigentliche Problem ist durch etwas entstanden, was die Ökonomen ja im Prinzip für richtig halten – auch ich tue mich schwer, zu ver­stehen, was hier abgelaufen ist –, nämlich die Securitization oder Verbriefung dieser „Subprime Kredite“. Das heißt, neue Konstrukte wurden gebildet, verkauft, andere ha­ben diese Konstrukte gekauft, nach dem Motto: Das sind real besicherte Papiere, da steht ja Immobilienvermögen dahinter, die werden gut verzinst, warum soll ich die nicht kaufen?

Der Gedanke der Risikostreuung, der dahinter steht, ist ja vollkommen richtig, nur hat das letztlich dazu geführt, dass Risken nicht so sehr gestreut wurden, sondern ver­steckt, sodass heute kein Mensch mehr weiß, was solche Anlagen bei wem noch wert sind.

Das ist ein erstaunliches Phänomen, für das die Kreditwirtschaft, finde ich, bis heute eine Antwort schuldig ist, denn nur dann, wenn wir das richtig verstehen, können wir ja die Reregulierung der Finanzmärkte, wie wir sie alle wollen, in Zukunft richtig machen.

Vorläufig sind die Folgen irreparabel; irreparabel in dem Sinn, dass die amerikanische Konjunktur nach unten gehen muss – aufgrund der Vernichtung von Vermögenswerten einerseits, denn die Konsumnachfrage, speziell in den USA, hängt sehr stark an der entsprechenden Verschuldung, die wiederum zurückgefahren werden muss aufgrund der sinkenden Aktiendepots und so weiter, von den Immobilien ganz abgesehen. Es wird das also zu einem Rückgang der Konsumgüternachfrage in den USA führen, na­türlich zu einem Rückgang der Importnachfrage der USA, und damit auf die realen Märkte in Europa durchschlagen. Das ist unvermeidlich.

Jetzt habe ich noch kein Wort verloren über all die anderen Dinge, von denen wir alle in diesem Haus, glaube ich, nichts verstehen oder nicht hinreichend viel verstehen: Credit Default Swaps, andere Swaps, Options, also Optionen auf alle möglichen Deri­vate und so weiter. Das ist inzwischen eine Geheimwissenschaft geworden, die offen­bar zum Nachteil der Bankiers sozusagen nach hinten losgegangen ist.

Auch hier meine ich, die Finanzmarktaufsichten in allen Ländern, in den USA und in Europa, sind diesen Entwicklungen bisher immer hinterhergehinkt. Das ist ein echtes Problem. Die Produkte sind schneller entwickelt worden, als sie verstanden, geschwei-


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