Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung / Seite 59

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11.59.08

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine ge­schätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich müsste man, wenn es nicht so ernst wäre, doch ein bisschen schmunzeln. (Abg. Großruck: Tun Sie es doch!) Es drängt sich die Frage auf: Warum hat Österreich eigentlich gewählt? Warum hat das österreichische Wahlvolk gewählt beziehungsweise warum musste es wählen? – Es gab im Wesentlichen zwei Begrün­dungen: die eine war der europapolitische Streit, der Schwenk der SPÖ in der Europa­politik, und die zweite war die Feststellung: Es sind keine Reformen, es sind keine Ent­scheidungen mehr möglich!

Das waren also die beiden Begründungen, und ich glaube, dass die Frage schon be­rechtigt ist: Was ist jetzt tatsächlich anders? Außer vielleicht der Stil: Wir haben jetzt einen Bundeskanzler und einen Vizekanzler, die sehr harmoniebedürftig sind, die sozu­sagen im Paarlauf überall auftreten, Händchen haltend. Das Ganze erinnert ein biss­chen an Hochzeitstortenzuckerguss, picksüß. Aber wo sind die zu fällenden Entschei­dungen, wo sind die notwendigen Reformen? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als heute festzustellen, dass Ihre Regierungserklärung – ebenso wie das Regierungspro­gramm! – leider visionslos, mutlos und reformschwach ist. (Beifall bei den Grünen.)

Bezüglich der europapolitischen Frage denke ich: Okay, Sie sind jetzt nach wie vor un­terschiedlicher Meinung. Was ist jetzt aber der europapolitische Kurs dieser Regie­rung? Das ist eine wichtige, entscheidende Frage. Sie bekennen sich zwar zu allem, stellen aber gleichzeitig auch alles wieder in Frage. So wird es sicher nicht funktio­nieren.

Dasselbe gilt für die großen Probleme. Es hilft nichts, große Probleme einfach zu igno­rieren, sie auf die Seite zu schieben oder sie einfach in Arbeitskreise und Masterpläne und Sonderkommissionen zu delegieren. – Sie hätten es im Übrigen auch gleich ins Parlament delegieren können, wir wären auch gerne bereit gewesen, da mitzuarbei­ten. – Das löst also nichts. Das löst keine Probleme. (Beifall bei den Grünen.)

Eines möchte ich noch vorweg sagen: Alle Minister und Ministerinnen, die in ein neues Amt gewechselt sind, werden von uns selbstverständlich Zeit bekommen sich einzuar­beiten, sich die Probleme anzusehen und Lösungen vorzulegen. Das ist, wie ich mei­ne, selbstverständlich.

Herr Bundeskanzler Faymann, bei Ihnen habe ich aber überhaupt keine Einsicht, wa­rum man bei Ihnen noch weiter zusehen muss. Sie haben jetzt mehrere Chancen ge­habt – sowohl das Regierungsprogramm als auch die Regierungserklärung als auch eine Sondersitzung –, aber es kommt einfach nichts.

Auf dem Cover der deutschen Zeitschrift „Der Spiegel“ ist „Angela Mutlos“ zu lesen. Ich kann nur sagen, das passt auch auf Österreich: „Werner Mutlos“, das ist das Pro­gramm, vor dem wir heute stehen. Es ist wesentlich nicht geeignet, die großen Proble­me zu lösen.

Was ist positiv im Regierungsprogramm – das erkenne ich an und möchte ich auch aussprechen –? Es ist sicher ein Fortschritt, Gratiskindergärten anzubieten, obwohl die Frage völlig offen bleibt, warum das nur für den Vormittag gilt. Das entspricht über­haupt nicht der Lebensrealität der modernen Familien, schon gar nicht, wenn Kinder fünf Jahre alt sind. Das ist wirklich daneben gegriffen, allerdings ist es zumindest ein erster Schritt.

Das Forschungskapitel ist ein bisschen konkreter, als es das im Jahr 2007 war. Man kann sicher auch positiv dazu Stellung nehmen, dass es jährlich zusätzlich 1 000 Poli­zisten und vor allem auch Polizistinnen – nämlich auch mehr Frauen und auch mehr PolizistInnen mit Migrationshintergrund – geben soll. Das ist absolut in Ordnung.

 


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