Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 111

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13.15.02

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte BesucherInnen auf den Rängen! Der Herr Vizekanzler hat darauf hingewiesen, dass heute über eine wichtige Entlastung für die österreichische Bevölkerung hier ab­gestimmt werden wird. Ich kann nur sagen: Nur für einen Teil der österreichischen Be­völkerung, denn dieses Familienpaket, dieses sogenannte Familienentlastungspaket, bringt nur für einen Teil der Familien eine Entlastung, nämlich für die besserverdienen­den, einkommensstärkeren Familien. Ich werde Ihnen das auch vorrechnen.

Sie nehmen 510 Millionen € in die Hand und verteilen diese in Form von Absetzbeträ­gen und Freibeträgen an genau diese Familien: Familien, die Steuern zahlen, Familien, die einkommensstark sind, die besser verdienen. Währenddessen gibt es in Österreich eine Million Menschen, die in der Armutsgefährdung leben. Das sind 13 Prozent der österreichischen Bevölkerung, darunter 250 000 Kinder und Jugendliche, Alleinerzie­hende, hauptsächlich Frauen. Und das in einem Land, das in Österreich, das eines der reichsten Länder der Welt ist! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Ihnen das anhand von Beispielen vorrechnen, aus denen ersichtlich wird, dass Ihnen, wie Sie das in dieser Steuerreform dargelegt haben, nicht alle Kinder in Österreich gleich viel wert sind.

Nehmen wir zwei Familien im Vergleich. Beide haben ein fünfjähriges Kind. Zum einen eine Familie, ein DoppelverdienerInnen-Haushalt mit einem gemeinsamen Einkommen von 10 000 € brutto im Monat, zum anderen ein AlleinverdienerInnen-Haushalt mit einem Bruttogehalt von 1 100 €. Was ersparen sich nun diese Familien? – Die Doppel­verdienerInnen-Familie hat eine Ersparnis von 3 519 € pro Jahr oder 293 € pro Monat; demgegenüber steht die AlleinverdienerInnen-Familie mit einer Ersparnis von 199,90 € pro Jahr – also weniger als die andere Familie sich im Monat erspart – oder auf den Monat gerechnet 16,65 € pro Monat. – In Anbetracht dessen von einer sozial gerech­ten Reform zu sprechen, entbehrt jeglicher Realität und ist zynisch! (Beifall bei den Grünen.)

Nicht nur wir, die Grünen, sondern auch namhafte ExpertInnen wie beispielsweise Mar­kus Marterbauer haben darauf hingewiesen, dass es hier bessere Varianten gegeben hätte, die Familien zu entlasten, nämlich indem Sie nicht in Absetzbeträge und Freibe­träge investiert hätten, sondern in Infrastruktur. Sie hätten damit nicht nur die Familien entlastet, sondern Sie hätten damit auch Arbeitsplätze geschaffen.

Im Vergleich: Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen hätte seinen Berechnun­gen nach 15 000 Arbeitsplätze gebracht, während die Entlastung der Familien durch Steuern, Absetzbeträge und Freibeträge seinen Berechnungen nach nur 3 000 Arbeitsplätze bringt. Also das Fünffache durch Investition in Infrastruktur wäre möglich gewesen. Davon haben Sie allerdings Abstand genommen.

Stattdessen investieren Sie in die Absetzbarkeit von Kosten für Kinderbetreuungsein­richtungen, obwohl Sie wissen, dass nicht ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen vorhanden sind. In Österreich fehlen 80 000 Plätze. Selbst wenn es Familien gibt, die Steuern zahlen und die von dieser Absetzbarkeit profitieren würden, so ist nicht garan­tiert, dass diese Familien auch mit einem Kinderbetreuungsplatz rechnen können.

Das ist frauenpolitisch ein Wahnsinn, das ist familienpolitisch ein Wahnsinn, und ich bin schon sehr gespannt, wie Sie denn mit der Tatsache, dass das verpflichtende Kinder­gartenjahr nicht eingeführt werden kann, weil zu wenig Plätze vorhanden sind, in den nächsten Monaten umgehen werden.

Da möchte ich jetzt schon noch einmal an Sie als Regierungsparteien ganz konkret ap­pellieren. Sie, die ÖVP, feiern sich regelmäßig als die Familienpartei, aber was Sie zu erwähnen vergessen, ist, dass Sie nur bestimmte Familien damit meinen, nämlich die


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