Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 170

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Schulen sollten nicht geschlossene Orte der temporären Verwahrung von Lehrenden und Lernenden sein, sondern müssen viel mehr ihrer eigentlichen Bedeutung als erste und größte Bildungszentrale für die Gesellschaft gerecht werden. Die Schule muss ein Ort der Bildungsosmose zwischen den unterschiedlichen Teilen unserer Gesellschaft werden. Dazu braucht es jedoch entsprechende infrastrukturelle Ausrüstung, um einen Ort zur konzentrierten Zusammenarbeit zur Verfügung stellen zu können. Will man in den Schulen gemäß dem Vorschlag der Expertenkommission „Zukunft Schule“ auch „Supportsysteme“ von Schulpsychologen über Sozialarbeiter bis hin zu Verwaltungs­personen etablieren, dann müssen dafür budgetäre Vorkehrungen getroffen werden, die über die bisherigen halbherzigen Bekenntnisse hinausgehen.

Abgesehen davon, dass die im Regierungsprogramm 2008 für Schulinvestitionspro­gramme vorgesehene Summe von € 1,664 Mrd. in den kommenden zehn Jahren viel zu niedrig ist (notwendig wird zumindest das Doppelte sein), kann angesichts der obi­gen Einschränkung davon ausgegangen werden, dass nicht einmal diese Summe auf­gebracht werden wird:

„*) Die mit diesem Zeichen gekennzeichneten Passagen im Regierungsübereinkom­men stehen unter Budgetvorbehalt und können nur im Rahmen des dem jeweiligen Ressort zur Verfügung gestellten Budgets – z.B. durch Umschichtungen - durchgeführt werden.“ (Regierungsprogramm SPÖ/ÖVP Koalition 2008, S.250)

Darüber hinaus ist dem Ministerratsvortrag der Unterrichtsministerin vom 17.02.2009 zu entnehmen, dass von den € 1,664 Mrd. circa 800 Millionen dem allgemeinbildenden und rund 864 Millionen Euro dem berufsbildenden Schulwesen zufließen sollen. Nur 30% gehen in die Errichtung von Neubauten und Erweiterungen, 70% gehen in Sanie­rungen, Umbauten und Funktionsadaptierung bestehender Objekte. Dies verdeutlicht einmal mehr, welch enormer infrastruktureller Aufholbedarf besteht.

Ein wirkungsvolles Schulinvestitionsprogramm muss als nationale Anstrengung und all­gemeines Konjunkturpaket verstanden werden, von dem nicht nur der Bildungsbereich alleine profitieren wird. Abgesehen von den mittel- und langfristigen Effekten für Ausbil­dungsstand und Arbeitsmarkt können alleine aufgrund der notwendigen baulichen Maßnahmen kurzfristig wirksamer konjunkturelle Effekte gesetzt werden, die zur Über­brückung krisenhafter Zeiten unbedingt notwendig sind.

II. Generalreform des österreichischen Schulsystems

Das österreichische Schulsystem braucht eine grundlegende Reform, die mit dem der­zeit parteipolitisch besetzten Bildungsbereich gründlich aufräumt. Die letzte echte um­fassende Bildungsreform erfolgte mit der flächendeckenden Einführung der Elemen­tarschule unter dem aufgeklärten Absolutisten Joseph II. Überspitzt formuliert wurden und werden heute in erster Linie die Möglichkeiten zur Ausnutzung parteipolitischer, länderspezifischer und ideologischer Partikularinteressen weiterentwickelt. Der enga­gierte Unterricht wird dabei längst als lästiges Zugeständnis an die eigentliche Aufga­benstellung der Institution Schule an den Rand gedrängt. Berufliches Engagement hat sich für couragierte Lehrerinnen und Lehrer leider als perfide Falle entpuppt, denn ge­fragt wird nicht nach der Verpflichtung gegenüber den Schülern, sondern wie weit An- und Einbindung in die dominierenden Strukturen bewältigt werden können. Der Druck auf die heutige Lehrerschaft, die aller methodisch und pädagogisch effektiver Möglich­keiten beraubt wurde, ist ein unvergleichlich größerer als etwa noch vor 30 Jahren. Das bestehende System fördert die parteipolitische Vereinnahmung der Schulen aufgrund von Strukturen, die vor Doppelgleisigkeiten und Kompetenzzersplitterungen nur so strotzen, was einschlägigen Studien sogar wissenschaftlich nachweisen:

"Die Funktionen im österreichischen Schulsystem sind auf die verschiedenen Verwal­tungsebenen derart verteilt, dass eine effiziente Leistungserbringung nicht gewährleis-


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