Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 288

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Dr. Harald KRAMMER

Präsident des Oberlandesgerichtes Wien iR

Lehrbeauftragter der Universität für Bodenkultur

für Sachverständigenrecht                                                                          Wien, 20. Februar 2009

An das

Präsidium der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter

1016 Wien

Betrifft: Geplante Änderung der StPO bezüglich des gerichtsmedizinischen SV-Be­weises

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe mich vor mehr als zwei Wochen an die neu bestellte Frau Bundesministerin für Justiz gewandt und ihr meine ablehnende Stellungnahme zu der in Aussicht ge­nommenen Einführung eines „Institutssachverständigen für gerichtliche Medizin“ zur Kenntnis gebracht. Eine Reaktion auf meinen Brief habe ich bisher nicht erhalten.

Ich halte das Problem eines „Institutssachverständigen“ für alle österreichischen Ver­fahrensrechte für besonders wichtig. Ich übermittle Ihnen daher meine Stellungnahme und zwar im Wortlaut – und hoffe, dass Sie erfolgreich gegen dieses verfehlte Vorha­ben auftreten werden.

Stellungnahme:

Seit nahezu 40 Jahren befasse ich mich fachliterarisch intensiv mit Sachverständigen­recht, zuletzt im Rahmen meines Lehrauftrages an der Universität für Bodenkultur auch mit dem Amtssachverständigen im Verwaltungsverfahren.

Nunmehr habe ich aus dem Regierungsprogramm und bei Gesprächen mit Mitarbei­tern des BMJ erfahren, dass durch eine neuerliche Änderung der StPO – nach den um­fangreichen Änderungen des Strafprozessreformgesetzes – für gerichtsmedizinische Fragen ein „Institutssachverständiger“ gesetzlich verankert werden soll.

Ich halte dieses Vorhaben für einen schweren legistischen Fehler, der eine Tür für wei­tere öffentlich-, aber auch privatrechtliche „Institutssachverständige“ öffnet, die später nicht mehr zu schließen sein wird, und die unabsehbare Beispielsfolgerungen nach sich ziehen wird.

Juristische Personen und Anstalten („Institute“) als Gerichtssachverständige sind mit den österreichischen Verfahrensgesetzen über den Sachverständigenbeweis als Per­sonalbeweis unvereinbar, vor allem verstößt ein „Institutssachverständiger“ als ein nur nach dem Fachgebiet, nicht aber als bestimmte Person definierter Sachverständiger auch gegen das in Art 6 EMRK verankerte Grundprinzip des Rechtes der Parteien auf ein faires Verfahren.

Auswahl und Beauftragung einer bestimmten physischen Person als Gerichtssachver­ständiger fällt in die von den Parteien und Parteienvertretern kontrollierbare Verantwor­tung des Richters. Gerichtsgutachtertätigkeit ist von Seiten des Gerichtes und des kon­kret als Person beauftragten Sachverständigen eine nicht substituierbare Arbeitsbeauf­tragung! Auch die Heranziehung eines Hilfsgutachters – wenn die Sachkunde des zu­nächst beauftragten Gerichtsgutachters nicht ausreicht – bedarf - nach einhelliger Rechtsprechung - einer eigenen richterlichen Anordnung oder richterlichen Genehmi­gung.

Dass die bestehenden Probleme mit dem Departement für gerichtliche Medizin der Me­dizinischen Universität Wien auch mit der geltenden StPO – ohne Gesetzänderung – zufriedenstellend für alle Beteiligten gelöst werden können, beweisen die praktischen


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