Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 289

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Erfahrungen mit den vergleichbaren Instituten in Graz, Innsbruck und Linz/Salzburg. Ich bin überzeugt, dass auch in Wien eine gute Lösung gefunden werden kann, ohne dass fundamentale Verfahrensgrundsätze über Bord geworfen werden müssen.

Ich habe zu dieser Thematik am 12. Jänner 2009 im Rahmen der Sachverständigense­minare des Gerichtssachverständigenverbandes in Bad Hofgastein einen Vortrag ge­halten und dazu ausgeführt:

„Das Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung enthält im Kapitel Justiz, Ab­schnitt A. Allgemeines, A. 3. Neuerungen im Sachverständigenrecht, drei Punkte, de­nen vorbehaltslos zuzustimmen ist: 1. Die Sicherung der erforderlichen Zahl von maxi­mal qualifizierten Gutachtern und Dolmetschern, 2. Die Erleichterung der Sachverstän­digenauswahl durch Eintragung entsprechender Spezialisierungen in der Sachverstän­digenliste, sowie 3. Die Orientierung der Honoraransprüche der Sachverständigen nach Möglichkeit an ihrer außergerichtlichen Gutachtertätigkeit. In Unterabschnitt A. 4. wird eine Überprüfung des Kostenersatzes für Zeugen, Schöffen und Geschworene und gegebenenfalls die Anhebung ihrer Gebühren an die Ansätze des Heeresgebüh­rengesetzes angekündigt. Auch dagegen bestehen wohl keine Einwendungen.

Problematisches findet sich im Unterabschnitt E. Strafrecht und Strafprozessrecht. Hier fordert Punkt E. 11. Neuordnung der Gerichtsmedizin einleitend zurecht, für den Be­reich des Sprengels des OLG Wien das bestehende Provisorium zu überwinden und die verfügbaren gerichtsmedizinischen Kapazitäten zu nutzen Dadurch soll eine quali­tativ hochwertige Gerichtsmedizin auf dem letzten Stand der Technik hergestellt wer­den, die eine kostengünstige Durchführung von Obduktionen gewährleistet. Der zweite Absatz des Punktes E. 11 ist hingegen strikt abzulehnen: „In der StPO ist die Möglich­keit zu schaffen, nicht nur einen Einzelgutachter, sondern auch ein Institut zu beauftra­gen.“

Damit wird – knapp nach den Diskussionen dieses Problemkreises anläßlich der gro­ßen stopp - Reform – wieder die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob und inwieweit nach den österreichischen Verfahrensordnungen juristische Personen und Anstalten („Ins­titute“ – gemeint wohl Universitätsinstitute und Untersuchungsanstalten des Bundes, der Länder und Gemeinden, allenfalls wohl auch von weiteren Körperschaften oder auch Institute von privaten juristischen Personen) als Gerichtssachverständige im Rah­men des verfahrensgesetzlich sehr sorgfältig geregelten gerichtlichen Sachverständi­genbeweises eingesetzt werden können.

Im Kern geht es dabei um die durch Art 6 der EMRK näher determinierten Grundsatz­fragen des Sachverständigenbeweises als Personalbeweis 1. um die persönlichen Pflichten des Sachverständigen, selbst den Befund aufzunehmen, selbst das Gutach­ten zu erstatten und sich auch selbst der mündlichen Erörterung in der kontradiktori­schen Verhandlung zu stellen, 2. um die persönliche straf- und zivilrechtliche Haftung des Sachverständigen für seine gesamte Gutachtensarbeit, 3. um die Verantwortung des Richters für die Auswahl und Beauftragung eines bestimmten Sachverständigen, weiters 4. um die Frage der Substituierbarkeit der Ausführung des Gerichtsauftrags durch einen Institutsvorstand oder ein Organ der juristischen Person an einen, nicht vom Gericht bestimmten Mitarbeiter oder eine solche Mitarbeiterin – etwa sogar aus Gründen der betrieblichen Auslastung an jemanden, der wenig qualifiziert oder noch wenig erfahren ist. Alle diese grundlegenden Verfahrensbesonderheiten betreffen aber teils direkt und teils indirekt die Verfassungs- und Menschenrechtsprinzipien des An­spruchs der Parteien auf ein faires Verfahren und der „sichtbaren Gerechtigkeit“.

Die Hoffnung, dass alle diese Probleme durch die Neuregelung des § 1 Abs 1 GebAG durch das BRÄG 2008 (!)- die generelle Bezeichnung der Sachverständigen als „natür­liche Personen“-, und die 2008 inkraftgetretene StPO-Reform, die in § 128 Abs 2 StPO –


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