Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 75

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Meine Damen und Herren, es ist Ihnen sicher bewusst, dass die größte und schlimms­te Wirtschaftskrise, die es je auf dieser Welt gegeben hat, auf uns zurollt. Ich sage Ihnen auch, warum: weil es Unwägbarkeiten gibt, die wir bisher in der Vergangenheit noch gar nicht gekannt haben. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Weltwirtschaft ist verwoben, ist miteinander verzweigt. Denken Sie an China! Allein in China gibt es zirka 150 Millionen Wanderarbeiter. Das sind Taglöhner, die Tag für Tag ihre Arbeitskraft verkaufen, wie es Karl Marx in seinem Buch „Das Kapital“ schon beschrieben hat. (Abg. Dr. Bartenstein: Das stimmt nicht!) Schauen Sie nach im Kapitel „Verelendungs­theorie“!

Von diesen 150 Millionen Taglöhnern sind derzeit schon 30 Millionen arbeitslos. Wenn Sie daran denken, wenn nur 1 Prozent dieser 30 Millionen, also 300 000 Menschen auf die Idee kommt, sich in einem Protestmarsch zu sammeln und auf eine größere Stadt zu wie Shanghai oder Peking zu marschieren, dann weiß ich nicht, was das an Zündstoff in diesem Pulverfass China bewirken kann, was wiederum auf unseren Kontinent, auf unsere Volkswirtschaft zurückfallen kann.

Meine Damen und Herren, jetzt frage ich mich unter diesen Gesichtspunkten, wo denn der Schutzwall der EU vor dieser Weltwirtschaftskrise war. Ich sehe keinen! Die EU hat nämlich Europa an diese US-amerikanische Wirtschaft angedockt. (Abg. Mag. Kogler: Die macht wenigstens ein paar vernünftige Regeln!) Sie hat zugeschaut, wie unsere Kommunen und unsere Bundesbahnen Credit Default Swaps gezeichnet haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die EU hat zugeschaut, wie riskante Spekulationsgeschäfte abgeschlossen worden sind, sie hatte keinen Einwand. Es gibt keine EU-Finanzmarktaufsicht, es gibt keine EU-Bankenkontrolle. Die EU hat all das, was uns heute trifft, bisher befördert und nicht verhindert oder eingedämmt. Und wir sollten auch nicht (Heiterkeit des Abg. Dr. Van der Bellen) – Herr Professor, weil Sie lachen – dem falschen Trugschluss unterliegen, dass es nur eine Finanzkrise wäre, die auf die Realwirtschaft überge­schwappt ist.

Nein! Es sind zwei Krisen, nämlich die Krise der Finanzwirtschaft und die Krise der Realwirtschaft, zusammengetroffen. Schauen Sie sich die Automobilindustrie in den USA an! Die wäre jetzt in die Pleite geschlittert – mit oder ohne Finanzkrise. Das ist die Wahrheit! Und die Finanzkrise befördert die Krise der Realwirtschaft, weil die Unternehmen jetzt weniger Möglichkeiten haben, sich am Kapitalmarkt zu bedienen oder am Kreditmarkt zu finanzieren.

Aber in Europa sehe ich derzeit vonseiten der EU keine Gegenbewegung; allein ein­zelne Staaten versuchen, mit nationalen Programmen entgegenzuwirken, auch Öster­reich. Aber was will man auch von europäischen Politikern wie einer Angela Merkel oder einem Nicolas Sarkozy erwarten, die vor lauter Amerika-Hörigkeit vor jedem Kaugummi-Automaten salutieren? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das ist die Wahrheit.

Meine Damen und Herren! Die eigentliche Tragödie dieser Budgetpolitik liegt in der weiteren Verschuldung. Wir haben im Jahr 2008 Gesamtfinanzschulden von 162 Mil­liar­den €, das sind, gemessen an den Einnahmen des Staates, nicht am BIP, rund 238 Prozent Verschuldung. Also wenn man das umrechnet oder wenn man in die betriebswirtschaftliche Berechnung geht, so sind das 2,4 Jahre theoretische Entschul­dungsdauer.

Um es abzukürzen: Die Schulden werden bis zum Jahr 2011 ansteigen. Wenn man die Schulden der ÖBB, jene der ASFINAG und jene aus dem Bankenrettungspaket, die schlagend werden könnten, dazuzählt, dann werden diese Schulden auf rund 300 Mil­liarden € steigen. Das werden in etwa 500 Prozent der Staatseinnahmen sein. Und


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