Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 83

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Natürlich, die EU war kein Schutzschild gegen den Ausbruch – oder wie immer man das nennen will – der Finanzkrise. Dafür hat sie auch gar nicht die Instrumentarien. Wenn Sie von der EU erwartet hätten, dass sie rechtzeitig bei den Banken, bei den sogenannten Schattenbanken und anderen Institutionen sozusagen die Reißleine zieht, dann hätten wir die EU erst mit diesen Instrumentarien ausstatten müssen.

Wer hat sich denn über die Jahre gegen so etwas wie eine europäische Banken­aufsicht, eine europäische Finanzmarktaufsicht gewehrt? – Das waren die Mitglied­staaten, das waren die Finanzminister der einzelnen Mitgliedstaaten der EU! (Ruf bei der SPÖ: Grasser!) Jetzt zu kommen und zu sagen: Die EU war kein Schutzschild!, ist natürlich ein Angriff auf die Politik der Mitgliedstaaten der EU in der Vergangenheit – inklusive, so nehme ich an, der Positionen der FPÖ, die eine Europäische Banken- und Finanzmarktaufsicht auch nie haben wollte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Also wenn Sie das haben wollen, dann gehen Sie mit uns und arbeiten Sie für eine Vertiefung der Europäischen Union auch und ganz besonders auf diesem Gebiet!

Man kann das natürlich noch weiterführen mit der Frage: Hat die Europäische Kom­mission rechtzeitig Initiativen gesetzt oder nicht? – Ich sage: Nein! Und das ist einer der Gründe, warum ich nicht für die Wiederwahl von Präsidentem Barroso bin. Prä­sident Barroso hat in all diesen Jahren aber nicht einmal einen Funken von Political Leadership auf europäischer Ebene erkennen lassen (Abg. Mag. Kogler: So ist es!) – im Gegensatz etwa zu Neelie Kroes, der EU-Wettbewerbskommissarin, zuständig für den Binnenmarkt.

Wenn wir diese Dame in der EU-Kommission nicht gehabt hätten, na frage nicht, wie die Mitgliedstaaten der Union einer nach dem anderen die Bankenkrise missbraucht hätten, um „ihren“ – unter Anführungszeichen – jeweiligen Banken Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. (Abg. Mag. Kogler: So ist es!) Es ist ausschließlich die EU-Kom­mission, die auf europäischer Ebene dafür sorgt, dass die Krise nicht dazu missbraucht wird, dass die Franzosen ihre Banken stützen zulasten jener der Deutschen, die Deutschen ihre zulasten jener der Österreicher und so weiter und so fort.

Die EU und die USA – lassen wir den Kaugummiautomaten jetzt weg (Abg. Gradauer: Der war gut!); der Irakkrieg, das ist alles andere als ein Kaugummiautomat –: Herr Kollege Königshofer, wenn Sie der Meinung sind, und ich würde diese Meinung teilen, dass es nicht schaden würde, dass die Europäische Union etwas größeren, sagen wir Handlungsspielraum, etwas größere Autonomie gegenüber der Politik der USA haben sollte, nämlich unabhängig von der jeweiligen Person des Präsidenten der USA, was tun wir dann?

Übrigens hat es mich ein bisschen gestört im europäischen Jubel über die neue Administration, dass man sagt: Jetzt ist alles wieder Wonne und Grießschmarren! – Wenn das europäische Wohlbefinden davon abhängt, welche konkrete Person, Bush oder Obama, Präsident der USA ist, dann stimmt wohl etwas nicht mit unserem Selbstbewusstsein!

Aber, Herr Kollege Königshofer – und jetzt kommt es! –, wenn wir beide diese wollen sollten, und ich will sie sicher, was tun wir dann für diese zusätzliche Autonomie Euro­pas gegenüber den USA? (Zwischenruf des Abg. Dr. Königshofer.) – Dann gibt es ja nur einen Weg: die Europäische Union weiter zu vertiefen, zu verstärken in ihren Instrumentarien! (Abg. Dr. Königshofer: Zu vertiefen, aber nicht zu erweitern mit der Türkei und Israel!) – Israel?! Jetzt kommt der Schmarren schon wieder! Herr Kollege, wir müssen die Probleme der kommenden zehn Jahre lösen, nicht die des Jahres 2200! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Mag. Wurm.)

 


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