Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 939

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wenn bei diesem 127. Störfall laut den Betreibern keine Radioaktivität freigesetzt wurde, wird Temelin immer mehr zu einem technischen und ökonomischen Desaster.

Trotz der unzähligen Störfälle und der massiven Sicherheitsbedenken ist der Energie­konzern ČEZ dabei, das AKW Temelin auszubauen und um die geplanten Blöcke 3 und 4 zu erweitern. Die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 könnte bis zu 130 Milliarden Kronen, d.h. umgerechnet rund 5,53 Milliarden (!) Euro, kosten; Baubeginn soll 2013 sein.

Noch immer wird dabei die Durchführung eines ordentlichen UVP-Verfahrens seitens Tschechiens verweigert. Die Europäische Kommission hat Tschechien bereits im Mai 2007 bezüglich der Durchführung einer UVP nach tschechischem Recht eine Absage erteilt und die Regierung aufgefordert, die europäische Richtlinie 85/337/EEG, 10a anzu­wenden sowie eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Monaten eingeräumt. Geschehen ist bis heute nichts. Damit ist Tschechien also bei der Temelin-UVP seit mittlerweile 2 Jahren säumig. Seitens der Europäischen Union wurden bis­lang keine Schritte gesetzt.

Tschechien setzt sich damit im Rahmen der Energieversorgung durch Atomkraft über alle Regeln und Gesetze des europäischen Geistes hinweg. Eine Geisteshaltung, die sich bereits beim Melker Abkommen klar gezeigt. Damals distanzierte sich Tschechien vom Inhalt und von der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Abkommens.

Vom 22. September bis zum 11. Oktober 2008 fand in Bayern und Sachsen zwar ein grenzüberschreitendes „Vorverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung“ statt; Teilnehmer dieses UVP-Verfahrens zur Errichtung neuer AKW-Blöcke in Temelin - drei Anti-Atomgruppen aus Bayern, Tschechien und Oberösterreich - haben eine Be­schwerde gegen die Verletzung des EU-Rechts und wegen Missachtung von Euro­parichtlinien zur Regelung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der EU-Kom­mission eingebracht.

Die tschechische Regierung hat die im Rahmen eines offenen Schreibens über­mittelten Vorschläge zur außergerichtlichen Beilegung des Konfliktes abgelehnt. Die Regierung Tschechiens toleriert damit wissentlich den Bruch des EU-Rechts und dies trotz der kurz bevorstehenden EU-Präsidentschaft Tschechiens.

In Tschechien ist das UVP-Verfahren nämlich kein Teil des Genehmigungsverfahrens, sondern hat eine ganz isolierte Stellung. Der UVP-Bescheid ist nicht im tschechischen Verwaltungsrecht verankert, sondern stellt lediglich eine „fachliche Grundlage“ für die „nachfolgenden Verfahren“ (z.B. baurechtliche Verfahren) dar. Er stellt auch keinen Bescheid im rechtlichen Sinne dar und kann somit gerichtlich nicht angefochten werden.

Dies hat zur Folge, dass auch ein negativer UVP-Bescheid nicht automatisch zum Aus für das Projekt führen muss. Diese Regelung widerspricht dem EU-Recht, konkret dem Artikel 10a der UVP-Richtlinie 85/337/EWG, welcher den Zugang der Verfahrens­teilnehmer zur gerichtlichen Überprüfung regelt.

Ferner plant die tschechische Regierung offensichtlich die Errichtung eines Atom­mülllagers nahe der Grenze zu Oberösterreich. Ein Militärareal, das am Moldaustausee liegt, wird gerade auf Empfehlung der tschechischen Behörde für die Deponierung von Atommüll geologisch genauer untersuchen. Wie das Neue Volksblatt berichtet, liegt dieses Gelände nahe der Gemeinde Oberplan und damit lediglich 60 Kilometer von Linz entfernt.

Auch wenn bislang keine endgültige Entscheidung über die Errichtung eines neuen Atommülllagers getroffen wurde, hat man bisher andere Orte, die in Erwägung


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