Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll26. Sitzung, 16. Juni 2009 / Seite 64

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eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (155 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (184 d.B.)

Gerade die Zulassung von Arzneispezialitäten erfordert höchste Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers und muss zu jeder Zeit eine Risikobewertung und laufende Qualitäts­überprüfung aller beteiligten Einrichtungen miteinschließen um potentielle Gefahren für Patientinnen und Patienten zu verhindern.

Zwischen 1958 und 1961 war das rezeptpflichtige, von der Firma Grünenthal in Aachen erzeugte, thalidomidhältige Medikament „Softenon“ in Österreich zugelassen. Es han­delt sich dabei um dasselbe Medikament das weltweit unter der Bezeichnung „Conter­gan“ auf tragische Art und Weise bekannt wurde. Es versprach Beruhigung und Schlaf in allen Lebenslagen - und das für alle Altersstufen. Wie damals üblich, wurde das Me­dikament als Ärztemuster schon einige Jahre zuvor ausgegeben. Frühschwangere, die „Softenon“ zur Linderung ihrer Morgenübelkeit einnahmen oder um Unruhe und Schlaf­losigkeit zu überwinden, gebaren meist schwer behinderte Kinder. Die Beeinträchtigun­gen umfassten dabei fehlende Arme und Beine, Lähmungen der Hirnnerven, Missbil­dungen an Niere, Herz und Genitalien, Seh- und Hörstörungen.

Heute, mehr als 50 Jahre später, leben die österreichischen Contergan-Geschädigten immer noch teilweise am Existenzminimum. Einige wurden bereits als Kinder in Heime abgeschoben, einige hatten Glück und durften in der eigenen Familie aufwachsen. Viele haben schmerzhafte und traumatisierende medizinische Eingriffe und Behandlun­gen hinter sich und nur wenige hatten die Chance einen richtigen Beruf zu erlernen. Jene, die es geschafft haben erwerbstätig zu werden, sind heute durch ihre Behinde­rungen an Armen und/oder Beinen und die daraus resultierenden Abnutzungserschei­nungen der intakten Gliedmaßen und des Rückens im Alter von rund 50 Jahren bereits meistens arbeitsunfähig.

Die Eltern der Contergan-Geschädigten, welche diese bisher finanziell unterstützt und zum Teil gepflegt haben sind mittlerweile alt geworden und können ihre Kinder nicht mehr versorgen. Ehepartner und Kinder der Contergan-Geschädigten sind mit den physischen und psychischen Leiden ihrer Angehörigen überfordert. Man kämpft gegen Probleme, die aufgrund von permanenten körperlichen Schmerzen, Depressionen, Ar­beitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Frühpensionierungen und den daraus entstandenen finanziellen Notlagen entstanden sind.

In zahlreichen Ländern der Welt werden Contergan-Geschädigte von den nationalen Regierungen die das Medikament zugelassen haben entschädigt. In Österreich war in den Jahren 1958 bis 1961 das Bundesministerium für soziale Verwaltung mit der Zu­lassung dieses gefährlichen und in vielen Fällen auch tödlichen Medikaments befasst. Weder von staatlicher Seite noch von der Firma Grünenthal haben die Betroffen jemals eine finanzielle Entschädigung in Verbindung mit einer, den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechender monatlicher Rente erhalten. Scham und Angst von Eltern und Kindern vor einer medialen Berichterstattung über das Zustandekommen und die mannigfachen Folgen dieser Behinderung ließen die Betroffenen und ihre Familien ins Abseits des bewussten Vergessens gleiten.

Die „Selbsthilfegruppe der Contergan- und Thalidomidgeschädigten Österreichs“ wandte sich im Jahr 2008 mit der Bitte um Unterstützung an den Bundespräsidenten, die Volksanwaltschaft und die zuständigen Ministerien. Seitens des Gesundheitsministe­riums wurde ihnen informell eine Fondslösung in Aussicht gestellt und Gespräche mit dem Finanzministerium angekündigt. Seit mehr als einem Jahr warten die Contergan-Geschädigten nun auf eine konkrete Antwort der Politik.

 


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